Seine eigene Vulva zu lieben ist ein Prozess, den wohl jedes junge Mädchen lernen muss. Denn selbst, wenn uns die Liebe zu unserem Körper eigentlich angeboren sein sollte, macht unsere Gesellschaft und die Erziehung sie wieder zunichte. Die Frage Ist deine Vulva schön? hätte in meinem Freundeskreis jedes Mädchen damals mit Nein beantwortet.
Natürlich geht es jungen Männern nicht anders. Doch zumindest bekommen sie Support von Gesellschaft und Medien: Der Penis wird zelebriert (zurecht), Vaginas und Vulven leider nicht (zu unrecht). Wie ich es geschafft habe, dank Pornos meine Vulva zu lieben.
Habe ich eine schöne Vulva?
Die Frage hat sich wohl jedes junge Mädchen gestellt. Naja, vielleicht auch nicht, denn uns wurde noch beigebracht, dass die weiblichen Geschlechtsorgane Vagina heißen. Dass es sich bei den äußeren Teilen um die Vulva und nur dem inneren Schlauch um die Vagina handelt, mussten wir erst später lernen.
Übrigens ist die Suchanfrage bei Google noch immer tausendfach höher für „schöne Vagina“ als für „schöne Vulva“, dabei dürfte keiner eine ästhetische Vorliebe für unser Innenleben haben. Oder habt ihr schon mal jemanden sagen hören „Ich hab gestern eine echt schöne Vagina gefingert, die war so zart und der Muttermund so klein und niedlich. Und der G-Punkt erst, eine tolle Farbe.“ Äh, nein!
Unsere Sprache reduziert unsere Geschlechtsorgane auf das Innere, dabei macht uns das Äußere Sorgen. Das ist nämlich unhygienisch, unansehnlich und riecht.
Warum sich junge Mädchen für ihre Vulva schämen
Vagina-Shaming heißt das Phänomen und es steckt tief in unserer Gesellschaft: Wir sprechen von fischigen Mösen, ausgeleierten Vaginen, sagen uns, dass wir da unten nicht sauber sind, wenn wir uns nicht zweimal täglich waschen. Die Kosmetikindustrie tut ihr Bestes, um uns rundum gepflegt und fresh im Intimbereich zu halten. Achso, kahlrasiert sollte sie auch sein, der Hygiene wegen.
Inzwischen haben sich Gen Y und Gen Z vereint und in ihrer Bodypositivity-Bewegung, aber auch dank vieler Feministinnen das Klischee der unsauberen Vagina über Bord geworfen. Das wurde auch Zeit.
Trotzdem kennen wir alle noch die Angst, die wir hatten uns zum ersten Mal nackt vor jemandem auszuziehen. Die Angst, unsere Vulva würde als hässlich empfunden werden. Wir alle haben sie hoffentlich abgelegt und schenken unseren wunderschönen Vulven die Liebe, die sie verdienen. Ich habe es damals durch Pornos geschafft.
Wie ich durch Pornos gelernt habe, meine Vulva zu lieben
Das klingt widersprüchlich, ich weiß. Immerhin waren es genau diese Hochglanz-Pornos, die mädchenhafte, kahle Vulven mit kurzen Schamlippen in unsere Köpfe gebrannt hat. Aber auch in der Porno-Industrie hat sich viel getan. Es gibt zum Beispiel viel mehr Amateurpornos: Echte Paare, die ihren Sex filmen. Ganz normalen Sex mit ganz normalen Körpern und Vulven. Aber, um ganz genau zu sein, haben mir nicht die Pornos an sich geholfen. But first things first:
Seit ich ungefähr 14 Jahre alt war, habe ich mir Gedanken darum gemacht, ob meine Vulva schön ist, ob die Schamlippen zu kurz oder zu lang sind, die Klitoris zu versteckt, oder zu weit entfernt vom Vaginaeingang und die Farbe in Ordnung ist. Nur mit einer einzigen Freundin habe ich mich damals getraut zu sprechen.
Ihr ging es genauso. Wir hatten offenbar das gleiche „Problem“ und waren unzufrieden mit unseren Schamlippen, denn sie sahen nicht mehr so aus wie vor der Pubertät und damit leider auch nicht wie das gängige Schönheitsideal. Zusammen haben wir uns heimlich geschämt und uns davor gefürchtet, was wohl unser erster Sexualpartner dazu sagen würde.
Pornhub für mehr Selbstliebe?
Bei mir lagen da noch ein paar Jahre dazwischen und in dieser Zeit habe ich, Gott sei Dank, Pornos entdeckt. Erst waren es nur Sexszenen aus Hollywoodfilmen, dann Bilder, dann Pornhub. Und was mich seit Beginn meines „Pornolebens“ dort fasziniert hat, waren die Kommentare:
Immer, wenn ein Video geladen hat, habe ich runter gescrollt und mir die Kommentare durchgelesen. Und wer hätte es gedacht: Die Porno-Community ist extrem wertschätzend und liebevoll. Unter Videos von jungen Frauen mit Hängebrüsten werden diese als „göttinnengleich“ bezeichnet.
Für lange Schamlippen gibt es eine ganze Fangemeinde und passende Stichwörter (long labia oder long pussy lips). Vulven mit sichtbarem Cameltoe wurden als perfekt gefeiert und eine große Klitoris will direkt abgeschlabbert werden.
Und da habe ich langsam, und ohne es zu merken gelernt, dass eine schöne Vagina für jeden anders ist. Dass es für jede Vagina einen Verehrer gibt, sowie es das auch für jede Penisform gibt. Dass kurvige Frauen genauso gefeiert werden wie schmale Frauen und dass das Alter das Sexleben vermutlich nur noch besser macht.
Bin ich heute happy mit meiner Vulva?
Ja. Ich schäme mich nicht vor dem ersten Sex, ich würde einen Kerl rausschmeißen, der einen abfälligen Kommentar über meine Vulva machen würde. Ich weiß, wie ich sie einsetzen muss, um sie und mich happy zu machen. Klar, wenn eine gute Vulva-Fee käme, dann könnte man hier und da noch was ändern. Aber ich kann auch gut ohne sie leben.
Heißt das, jede Frau muss jetzt Pornos schauen? Nein. Wenn du dich damit unwohl fühlst, dann natürlich nicht. Vielleicht reicht dir meine Erkenntnis aus und du musst dir nur selbst vor Augen halten, dass du vermutlich überhaupt nicht kritisch über die Geschlechtsteile deines Partners oder deiner Partnerin denkst. Und genauso denkt er oder sie über dich.
Der erste Schritt ist natürlich, sich überhaupt mit Vulva und Vagina auseinanderzusetzen. Das geht zum Beispiel auch durch Vulva-Watching mit und ohne anderen Frauen. Auch Gwyneth Paltrow hat das in ihrer Netflix Serie Goop Lab ausprobiert.