Schwangerschaftsabbrüche sind ein Thema, das unsere Gesellschaft spaltet. Während die eine Seite sie als wichtigen Bestandteil der Selbstbestimmung über den eigenen Körper sieht, wettert die andere leidenschaftlich gegen gewissenlose „Kindermörder“. Rund um das Thema gibt es viel Unwissenheit, die die Diskussion nur um so gefährlicher macht. Hier bringen wir etwas Licht ins Dunkle und klären die 5 häufigsten Mythen über Schwangerschaftsabbrüche auf.
Schwangerschaftsabbrüche: Ein kontroverses Thema
Urteil zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA
Mit dem heutigen Tag werden junge Frauen in den USA mit weniger Rechten aufwachsen, als ihre Mütter und Großmütter hatten.
Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Stephen Breyer in der Stellungnahme der abweichenden Meinung
Diesen Satz veröffentlichten die drei Richter:innen des obersten Gerichtshofes der USA nach der Urteilsverkündung bezüglich des Abtreibungsrechts in den USA. 1973 hatte der Supreme Court in den gesamten USA Schwangerschaftsabbrüche ermöglicht, bevor ein Fötus lebensfähig ist, also etwa bis zu 24. Schwangerschaftswoche.
Mit dem neuen Urteil liegt die Entscheidung über ein Abtreibungsrecht nun bei den einzelnen Bundesstaaten. In 26 konservativ geführten Bundesstaaten der USA könnte es damit zu Gesetzesänderungen kommen – in 13 von ihnen sind schon jetzt Gesetze vorbereitet, die Schwangerschaftsabbrüche stark einschränken.
Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland gekippt
Während in den USA ein gewaltiger Schritt in zurück gemacht wurde, gab es in Deutschland eine politische Entscheidung, die eigentlich schon längst überfällig war. Der Bundestag hat die Aufhebung des Werbeverbotes für Abtreibungen beschlossen.
Ärztinnen und Ärzte dürfen künftig öffentlich darüber informieren, dass und mit welcher Methode sie Abtreibungen durchführen. Schwangere sollen so einfacher als bisher Ärzte für eine Abtreibung finden können. Der Paragraf 219a StGB verbot bisher die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“.
Als „Werbung“ im Sinne des Gesetzes galt schon ausführliche Informationen über verschiedene Methoden des Schwangerschaftsabbruchs sowie die damit jeweils verbundenen Risiken. Als Strafmaß drohte eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren.
Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass ausgerechnet Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und damit am besten sachlich informieren können, nach der derzeitigen Rechtslage eine Strafverfolgung befürchten müssen, wenn sie Informationen zur Verfügung stellen. Das passt nicht in unsere Zeit.
Marco Buschmann
5 Mythen über Schwangerschaftsabbrüche, die so nicht stimmen
Das Abtreibungsgesetz ist in den verschiedensten Ländern immer wieder Thema heftiger Auseinandersetzungen. Doch wie steht es eigentlich um die Zahlen von Abtreibungen?
1. Die meisten Menschen sind bei einem Schwangerschaftsabbruch sehr jung
Falsch! Man würde denken, dass die meisten Frauen, die sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließen, das aus einer Not heraus tun, die aus ihrem Alter heraus zu begründen ist. Man hat die Geschichte der 16-jährigen Schülerin im Kopf, die noch nicht bereit dazu ist, Mutter zu werden und sich deswegen einem Schwangerschaftsabbruch unterzieht.
Diese Geschichten gibt es, keine Frage! Im Durchschnitt ist eine Person beim Abbruch jedoch 29,7 Jahre alt. Nur 7 % aller Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen, sind unter 20.
2. Die meisten Betroffenen fühlen sich nicht bereit für ein Kind
Falsch! Fast 60 % aller Betroffenen haben bereits mindestens ein Kind auf die Welt gebracht. Die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche sind vielfältig und meist biografisch.
Nach einer Studie der BZgA (2016) wurden über die Hälfte der ungewollten Schwangerschaften in schwierigen Partnerschaften abgebrochen, in stabilen Partnerschaften hingegen nur etwa ein Drittel.
Internationale Studien zeigen, dass die berufliche und finanzielle Situation zentral bei der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch ist. Jede fünfte Frau in der Studie der BZgA gab berufliche oder finanzielle Unsicherheit als Grund für den Schwangerschaftsabbruch an. Jede zweite ungewollte Schwangerschaft, die während der Ausbildung oder des Studiums eintrat, wurde abgebrochen (BZgA 2016).
3. Viele Föten werden erst sehr spät abgetrieben
Ein chirurgischer Abbruch mittels Absaugung ist aber der 5. Bis zur 14. Schwangerschaftswoche möglich. In diesen Zeitraum fallen laut BZgA auch die meisten Abtreibungen. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche finden zwischen der 7. Und 8. Woche statt. 97 % aller Abbrüche werden noch vor der 12. Woche durchgeführt.
4. Es gibt immer mehr Schwangerschaftsabbrüche
Die Angst von vielen Abtreibungsgegner:innen liegt oft darin, dass durch eine Lockerung der Gesetze die Schwangerschaftsabbrüche häufen und es mehr unüberlegte Eingriffe gibt.
Trotz der liberalen Gesetzgebung gehören die Niederlande zu den Ländern mit den wenigsten Abtreibungen weltweit. Pro 1.000 Frauen wurden im Jahr 2016 8,7 Abbrüche durchgeführt. Seit mehr als 15 Jahren ist die Zahl relativ konstant. Als Grund dafür nennen Experten die umfassende Aufklärung und den einfachen Zugang zu Verhütungsmitteln.
In Deutschland ist die Zahl der Abtreibungen sogar zurückgegangen. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist im Jahr 2021 mit rund 94.600 gemeldeten Fällen gegenüber dem Vorjahr um 5,4 % zurückgegangen und ist damit so niedrig, wie noch nie seit dem Beginn der Datenerhebung.
5. Frauen, die Schwanger werden, verhüten nicht
Nur wenig Frauen verhüten nicht, wenn sie keine Kinder haben wollen, und fast die Hälfte der Frauen, die ungewollt schwanger werden, haben verhütet. Fast alle Frauen verhüten zuverlässig: In Deutschland ist die Aufklärung über Verhütung und das Verhütungsverhalten allgemein gut. Nur vier von 100 fertilen Frauen gaben in der Studie der BZgA an, dass sie heterosexuell aktiv sind, kein Kind wollen, aber trotzdem nicht verhüten.
Information über Schwangerschaftsabbrüche ist Key
Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen scheint es daher umso wichtiger, die Arbeit von Aufklärungsorganisationen zu unterstützen und Frauen auch in Zukunft den Zugang zu sachlichen Informationen zu ermöglichen. Denn nur so sind Frauen, Paare oder Familien letztendlich auch in der Lage, eine informierte Entscheidung zu treffen und ihr Recht auf Selbstbestimmung auch wirklich in Anspruch zu nehmen.
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