Jedes Märchen endete früher mit: „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.“ Obwohl wir es eigentlich besser wissen sollten, ist es immer noch die Idealvorstellung einer Beziehung, dass sie für immer hält. Wenn man aber die Scheidungsrate in Deutschland mit 40 % betrachtet, ist das sehr optimistisch gedacht. Ein Psycholog:innen-Team der Uni Jena hat sich mit der Prognose von der Beziehungsdauer in Paarbeziehungen beschäftigt. So eine Prognose ist zwar möglich, aber ist sie auch sinnvoll?
Beziehungsdauer bestimmen – möglich, aber notwendig?
Liebe durch Algorithmus?
Wer theoretisch zu wem passt, lässt sich berechnen. Online-Dating-Plattformen nutzen dafür schon längst Algorithmen aus Eigenschaften und Vorlieben der Nutzer:innen. Je größer die Übereinstimmung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man zueinander findet, doch dann geht die eigentliche Arbeit erst los. Das Leben lässt sich nicht mit einem Algorithmus vorhersagen und auch die Vorstellung, dass man schon am Anfang einer Beziehung berechnen kann, wie lange sie halten soll, scheint absurd. Also, was ist dran an der Studie?
Die Studie über die Beziehungsdauer
Psychologinnen und Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der University of Alberta, Kanada, haben im Rahmen der Langzeitstudie „pairfam“ fast 2.000 Paare über sieben Jahre hinweg in regelmäßigen Abständen befragt, von denen sich 16 Prozent in diesem Zeitraum getrennt haben.
Bereits zu Beginn einer Beziehung lassen sich Prädiktoren – also gewisse Vorhersagevariablen – finden, die Informationen darüber liefern, ob die Beziehung lange hält oder nicht.
Studienleiterin Dr. Christinen Finn
Studienleiterin Dr. Christine Finn ist sich nach der Auswertung der Langzeitstudie „pairfam“ ziemlich sicher. Die Weichen für eine Trennung stellten sich nach Einschätzung der Wissenschaftler:innen einerseits schon zu Beginn einer Beziehung. So lassen sich bereits zu Beginn einer Beziehung Prädiktoren – also gewisse Vorhersagevariablen – finden, die Informationen darüber liefern, ob die Beziehung lange hält oder nicht. Andererseits spielt auch eine Rolle, wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt.
„Wer unglücklich startet, wird noch unglücklicher.“
Die Forschenden konnten bei allen Paaren beobachten, dass das Glücksniveau im Laufe der Zeit abnimmt, die Schmetterlinge flattern seltener. Kennen wir das nicht alle? Doch bei denen, die schon mit Schwierigkeiten in die Beziehung starten, geht das offenbar besonders schnell. Damit sehen Dr. Christine Finn und ihre Kolleg:innen zwei wissenschaftliche Modelle bestätigt, die den Verlauf von Paarbeziehungen beschreiben:
Modell 1
Alle Paare sind zu Beginn etwa gleich glücklich. Endet die Beziehung mit einer Trennung, dann ist das auf Probleme zurückzuführen, die sich erst im Laufe der gemeinsamen Zeit entwickeln.
Modell 2
Paare starten bereits auf unterschiedlichen Glücksniveaus. Diese halten sie dann zwar jeweils, allerdings führt ein niedrigeres Ausgangsniveau mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern einer Beziehung als ein hohes Glücksniveau.
Die Mischung machts
„Wir haben nun herausgefunden, dass eine Mischung aus beiden Modellen wohl zutrifft“, sagt die Psychologin. „Auch wir können ein unterschiedliches Ausgangsniveau bestätigen. Zusätzlich nimmt bei beiden Gruppen die Glücklichkeit ab – bei denen, die sich später trennen, passiert das allerdings deutlich rapider. Das bedeutet: Wer unglücklich startet, wird noch unglücklicher.“
Wer unglücklich startet, wird noch unglücklicher.
Dr. Christina Finn
Daraus leiten die Wissenschaftler:innen eine mögliche Vorhersage über die Beziehungsdauer ab. Die Vorhersage der Beziehungsdauer richtet sich nach „Schmetterlingsniveau“ zu Beginn, sowie auch auf die Rücksicht der Zufriedenheit im Laufe der Zeit.
Ähnliche Bedürfnisse sind eine gute Voraussetzung für eine lange Beziehungsdauer
Der Beginn einer Beziehung kann also schon einiges über ihren Verlauf verraten. Die Zufriedenheit ermittelten die Jenaer Forschenden, indem sie beispielsweise danach fragten, wie sehr die Partner:innen ihre Bedürfnisse befriedigt sehen. Generell gilt dabei: Wer ähnliche Bedürfnisse hat, zum Beispiel nach Nähe, aber auch danach weiterhin eigene Interessen verfolgen zu können, bleibt meist länger zusammen.
Obwohl sich offenbar absehen lässt, welche Chancen eine Beziehung hat, wenn man bestimmte „Parameter“ wie Ausgangsglücksniveau und Ähnlichkeit im Hinblick auf Bedürfnisse hat, warnt Dr. Christine Finn vor voreiligen Schlüssen: „Keine Beziehung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.“
Keine Beziehung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Dr. Christine Finn
Wollen wir wirklich unsere Beziehungsdauer vorhergesagt bekommen?
Eine Prognose, wie eine Beziehung verlaufen könnte, ist aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse also möglich. Wollen wir das aber wirklich wissen? Und wäre es überhaupt gut, eine Beziehung schon mit dem Gedanken zu beginnen, dass sie wahrscheinlich nach einer gewissen Zeit sowieso schiefgeht?
„Uns geht es nicht darum, den allgemeinen Optimierungstrend weiter zu unterfüttern und eine Beziehung nur ergebnisorientiert mit der Aussicht auf Langlebigkeit zu führen“, erklärt Christine Finn. „Wenn sich Paare nach einiger Zeit trennen, kann das trotzdem eine wertvolle und wichtige Phase in ihrem Leben sein – die möglicherweise die folgenden Beziehungen positiv beeinflusst.“
„Außerdem können Paare das Gemeinsame, wie das Ausleben von Nähe und Unabhängigkeit, auch bewusst steuern und daran arbeiten.“ Für Beratungsstellen und Therapeuten könnten die Ergebnisse der Studie also durchaus wertvoll sein.