Karriere machen als Frau ist schwierig. Obwohl seit Anfang 2016 gilt: Die 100 größten börsennotierten deutschen Unternehmen müssen mindestens 30 % ihrer Kontrollgremien mit Frauen besetzen. Ausgenommen sind weiterhin Vorstände. Management-Posten müssen sich nur unter der obersten Hierarchie-Ebene an Regelungen zur Stärkung von Frauen halten.
Was das bewirkt, zeigen die neuen Zahlen, die das Bundesministerium Mitte Juni vorgelegt hat. Der Frauenanteil in Aufsichtsräten bei Unternehmen mit festen Quoten ist heute bei über 35 % angekommen, der Rest dümpelt bei unter 20 % vor sich hin. In den Vorständen bleiben Frauen weiterhin die Ausnahme, bei 80 % der Unternehmen sind sie gar nicht vertreten. Der größte Witz: 70 % der Unternehmen, die eine Zielgröße in Bezug auf den Frauenanteil angaben, meldeten 0 %.
Das bedeutet, dass das Gesetz von 2016 zwar etwas bewirkt hat, aber noch lange nicht vollständig. Das Prinzip der Freiwilligkeit zieht bei der breiten Masse einfach nicht. Dabei gibt es gute Gründe auf Frauenpower zu setzen. Eine McKinsey-Studie zeigte bereits, dass Unternehmen mit vielen beschäftigten Frauen eine 25 % höhere Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich profitabel zu sein. Doch die Veränderungen kommen im Schneckentempo.
In diesen Firmen machen Frauen Karriere
Immerhin in Sachen Engagement können viele Unternehmen punkten. Die Studie des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) untersuchte die 5000 größten deutschen Unternehmen. Dazu wertete sie zum einen Fragebögen und Social Media Beiträge in den Bereichen Unternehmenskultur, Arbeitsklima und Gleichberechtigung aus. Diese Unternehmen griffen die Top-Platzierungen ab:
Lidl
Discounter brauchen üblicherweise keine Frauenquote. Bei Lidl sieht das nicht anders aus. Doch nicht nur an der Kasse, sondern auch in Führungspositionen sind viele Angestellte weiblich. 55 % aller Filialen werden von einer Frau geführt, im Vorstand sitzt mit Christine Ritter sogar eine junge Mutter und ein Beispiel dafür, dass Frauen hier eine Karriere ermöglicht wird.
Die Studie hebt hervor, dass Lidl durch faire Bezahlung und gleiche Aufstiegschancen hervorsticht. Um ihr Engagement öffentlich-wirksam zu unterstreichen, hat Lidl die Women’s Empowerment Principles (WEPs) der Vereinten Nationen unterzeichnet, die die berufliche Entwicklung von Frauen fördert und ihre Fortschritte regelmäßig veröffentlicht.
Zalando
Auch der Spitze des Online-Versandhändler-Giganten hat mittlerweile gedämmert, dass Veränderungen dringend nötig sind. Die meisten Kunden sind weiblich, der Vorstand ausschließlich männlich. Bis 2023 möchte das Berliner Unternehmen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis auf den obersten sechs Führungsebenen erreichen. In Zahlen sollen das 40 – 60 % sein. Den 14.000 Beschäftigten in ganz Europa dürfte das gefallen.
Commerzbank
Auch die Commerzbank hat sich als Zielvorgabe für Vorstandspositionen und Management-Positionen null % Frauenquote gesetzt. Trotzdem tut sich auch hier etwas. Die Frauenförderung der Commerzbank zeigt sich am 30-prozentigen Frauenanteil in Führungspositionen, im nächsten Jahr sollen es 35 % sein. Im derzeitigen Vorstand sind immerhin zwei von sieben Mitgliedern weiblich.
Lobenswert sind auch die Cross-Mentoring-Programme, Teilzeitangebote und das unternehmenseigene Frauennetzwerk “Courage”, das Workshops zur Karriereplanung und Verhandlungsstrategien gibt und bereits 1998 gegründet wurde.
Adidas
In der letztjährigen Ausgabe der IMWF-Studie ist auch Adidas zu finden. Weltweit ist hier fast jede dritte Führungskraft eine Frau. Dazu kommen die üblichen Maßnahmen, wie zum Beispiel Mentoring-Programme und flexible Arbeitszeitmodelle, die Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen sollen. Zusammen mit dem international aufgebauten Netzwerk zur Frauenförderung hebt sich Adidas beim Engagement für Frauen deutlich von vielen anderen Firmen ab. 2015 wurde der Einsatz 2015 mit dem Female Recruiting Award belohnt.
Auch Technologie-Unternehmen geben sich Mühe
Auch der Frauen-Karriere-Index untersucht die Aktivitäten vieler Unternehmen zur Förderung von Frauenkarrieren. Die letzten Ergebnisse zeigen, dass sich viele Technologieunternehmen darum bemühen, Frauen mehr zu unterstützen.
Auf dem Treppchen stehen regelmäßig Tech-Riesen wie Hewlett-Packard und Accenture. Auch die Telekom bemüht sich mit Maßnahmen, wie Job-Sharing, bei dem sich zwei Arbeitnehmer eine Stelle teilen. Besonders junge Mütter können so schnell wieder in Positionen mit viel Verantwortung zurückkehren.
Chancen richtig einschätzen: Darauf solltest du achten
Obwohl Augenwischerei als Gefahr immer mitschwingt, können Konzerne mit Studien wie die der IMWF, ihre Beliebtheit deutlich steigern. Doch die Frauenquote allein sagt wenig aus. Immerhin können Unternehmen auch eine Menge Frauen anstellen, während der Vorstand die gewohnte Männerdomäne bleibt. Um deine Chancen richtig einzuschätzen, solltest du diese Dinge vorher recherchieren:
- Welchen Anteil haben Frauen in Führungspositionen?
- Welche Weiterbildungsmöglichkeiten werden angeboten?
- Haben alle die gleichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten?
- Gibt es flexible Arbeitszeitmodelle?
- Bietet das Unternehmen familienfreundliche Maßnahmen?
- Gibt es Wiedereingliederungsprogramme für Frauen?
- Gibt es Frauennetzwerke?
Diese Fragen nachzulesen kann wichtig werden. Auch, weil nicht absehbar ist, wann Gesetzesänderungen endlich greifen. Zum Beispiel sollen keine Zielvorgaben von 0 % ohne Begründung formuliert werden dürfen. Das Gesetz ist unterwegs – im Schneckentempo, versteht sich.
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