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LGBTQ-Szene in Polen: So sehr werden Menschenrechte verletzt

Polen scheint sich rückwärts zu entwickeln, sowohl LGBT- als auch Frauenrechte sollen eingeschränkt werden.

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In Polen werden LGBT zunehmend diskriminiert & wir schauen weg. Foto: istock.com/arvitalya /

Menschenrechtsverletzungen innerhalb der EU sind in den letzten Jahren immer häufiger geworden. Im Mittelmeer ertrinken Menschen aufgrund ihres Fluchtversuches und dem Handeln der Länder, in Polen und Ungarn werden die Rechte der LGBTQ-Szene verletzt.

Unser Nachbarland Polen arbeitet in den letzten Monaten hart daran arbeitet sowohl Polens LGBT-Community, also auch Frauen grundlegende Rechte zu entziehen. Wir finden, dass das Thema noch viel mehr mediale Aufmerksamkeit braucht. Hier findest du alles zur LGBTQ-Szene in Polen im Überblick.

Die Hetzjagd auf LGBTQIA* in Polen

Alles begann im Februar 2019. Der damalige Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski erklärte, dass er den Richtlinien der WHO folgen möchte und LGBT-Themen als festen Bestandteil des Sexualkundeunterrichts einbauen möchte, ein LGBT-Hostel eröffnen will und ein Gemeinschaftszentrum. Und damit startete ein Hetzfeuer durch Polen

  • Was heißt eigentlich LGBTQIA*? Wir erklären es.

 

Polens Präsdent sieht LGBT als gefärhliche Ideologie.

Die PiS (eine rechts geprägte Partei in Polen mit 49 von 100 Plätzen im Senat) erklärte, „LGBT“ wäre ein gefährlicher „Import“, der den Staat Polen bedrohen würde. BürgermeisterInnen überall im Land schlossen sich der Meinung an und erklärten ihre Bezirke zu „LGBT-freien Zonen“.

Während des Wahlkampfs im Frühjahr 2019 wurde die LGTBQIA-Community von Polens rechten und konservativen Parteien zum Sündenbock der Nation erklärt. Auch der Erzbischof von Krakau schloss sich später an und beschrieb in einer Andacht im August LGBT als „Regenbogenseuche“ und setzte sie mit der „roten Seuche“ (den Bolschewiken) gleich.  In dem noch sehr katholisch geprägten Polen (knapp 86 % gehören der römisch-katholischen Kirche an), hat sein Wort Gewicht.

Am 8. Juni.2020 gingen 50.000 Menschen zusammen mit ihrem Bürgermeister auf die Warschauer Straßen, um für mehr Akzeptanz und LGBTQIA*-Rechte zu kämpfen. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten, sie wurden beispielsweise mit Steinen beschossen. Keine Seltenheit bei polnischen Gay Parades. Andrzej Duda (ehemaliges Mitglied der PiS) gewann erneut die Präsidentenwahl im Juni 2020 und erklärte der LGBT-Community den Krieg. Er wird jetzt für 5 Jahre im Amt bleiben.

LGTB freie Zonen in Polen
Fast ein Drittel Polens hat sich „LGTB-frei“ erklärt. (Stand Januar 2020).(Photo: WikiCommens/Fashaj)

LGBT-freie Zonen in Polen: Was das bedeutet

Im August 2019 waren knapp 30 Zonen in Polen LGBT-frei, später waren es dann 100 (1/3 Polens!). Aber was heißt das konkret? Diese Deklaration ist vor allem symbolischer Natur, denn juristisch sagen sie nichts aus, wohl aber in den Köpfen der Menschen. LGBT-freie Zonen wollen kein öffentliches Ausleben von nicht-heterosexueller Liebe im öffentlichen Raum sehen, ebenso wenig wie Regenbogenflaggen oder sonstige Indizien, die darauf hinweisen könnten, dass es andere Gender oder sexuelle Orientierungen gibt als Mann und Frau in ihrer heterosexuellen Liebe.

Wer sich in diesen Zonen offen als LGBTQIA* zeigt, wird nicht selten gewalttätig belästigt. Vor dem Lockdown sendete die BBC einen Reporter in diese LGBT-freien Zonen, um dort zu recherchieren, was sich konkret verändert hat und erfährt die Meinung der Bevölkerung. Sie sehen LGBT als Deckmantel für offene Pädophilie.

 

BBC-Reporter Ben Hunte ist in die „LGTB-freien“ Bezirke Polens gefahren.

Viele polnische Bezirke haben den weniger offensichtlichen Weg gewählt und sich anstatt LGBT-frei zu erklären, der Selbstverwaltungscharta der Famlienrechte verschrieben. Diese stellt die Familie und den Kinderschutz an erste Stelle, anstatt öffentlich gegen LGBT zu hetzen. Aber auch, wenn sie nicht öffentlich hetzen, schließen sie sie aus dem öffentlichen Leben aus.

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Ein Protest gegen die Verhaftung von AKtivistin Margot in Warschau.(Photo: imago/Pacific Press Agency)

Polen geht gegen Aktivisten vor

Viele LGBTQIA*-Aktivist:innen haben Polen schon verlassen, einige kämpfen aber noch immer für ihr Land und werden dafür belangt. Denn in Polen ist es verboten „religiöse Gefühle“ zu verletzen. Unter diesem Gesetz werden immer wieder bekannte LGBTQIA*-Gesichter festgenommen. Bis zu 2 Jahren Haft können sie bekommen.

Erst am 8. August 2020 gingen Hunderte in Warschau auf die Straße, um gegen die Festnahme der Trans-Aktivistin Margot zu protestieren. Sie hatte angeblich einen Lieferwagen beschädigt und eine Antiabtreibungsanhängerin geschubst. Auch die europäische Menschenrechtskommission sieht das kritisch und fordert ihre Freilassung.

Reaktionen aus dem Ausland

Obwohl es in den Medien nicht für große Schlagzeilen gesorgt hat, reagierten andere europäische Staaten auf die Diskriminierung von LGTBQIA* in Polen. So lösten viele Städte ihre Partnerschaft mit polnischen Städten in LGBT-freien Zonen auf wie Utrecht mit Nieuwegein. Außerdem wurden LGBT-freien Gemeinschaften EU-Fördergelder entzogen. Inzwischen sind drei Regionen aufgrund der EU-Gelder zurückgetreten oder haben ihre Zone abgeschwächt.

LGBT-Definitionen
Die LGBT-Community ist in Polen nicht gleichberechtigt.

Polen hinkt hinterher in LGTBQIA*-Rechten

Polen ist offiziell das LGBT-unfreundlichste Land in Europa. Viele Rechte fehlen ihnen noch, andere haben sie aber zum Beispiel Deutschland voraus:

  • Anders als in Deutschland dürfen homosexuelle Männer Blut spenden.
  • LGTB dürfen in der Armee dienen.
  • Trans-Menschen dürfen ihr Geschlecht auch offiziell ändern, wenn sie ein entsprechendes Attest vom Arzt haben. Das gilt aber nur dann, wenn beispielsweise eine Hormontherapie gemacht wurde.
  • Der Arbeitgeber darf LGBT nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren. In anderen Bereichen wie etwa im Gesundheitswesen ist das aber nicht offiziell verboten.  
  • Das Mindestalter für einvernehmlichen Sex liegt bei allen Paaren bei 15 Jahren.
  • Gleichgeschlechtliche Ehen sind verboten, es gibt keine andere gesetzliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.
  • Gleichgeschlechtlichen Paaren ist es verboten zu adoptieren, lesbische Paare dürfen keine künstlichen Befruchtungen durchführen lassen.
  • Attacken auf LGBTQIA* werden nicht als Hassverbrechen behandelt nach polnischem Gesetz. 90 % an Verbrechen gegen LGBTQIA* werden nicht dokumentiert oder gemeldet.

Aber auch Frauen geht es jetzt an den Kragen

Die PiS ist noch nicht fertig mit ihrem Rachezug gegen Minderheiten. So haben sie zwei neue Gesetzentwürfe verabschiedet. Einer soll es Frauen noch schwerer machen, abzutreiben, was derzeit ohnehin nur bei Vergewaltigungen, Gefährdung des Lebens der Mutter oder absehbaren Krankheiten oder Missbildungen möglich ist. Letzterer Punkt soll gestrichen werden. Dabei hat Polen schon eine der schärfsten Abtreibungsregelungen in Europa.

Lehrer oder Erzieher, die über gleichgeschlechtliche Liebe sprechen oder unterrichten sollen bis zu 4 Jahren Gefängnisstrafe bekommen.

Außerdem will die PiS aus den Istanbul-Konventionen austreten, diese setzen sich aktiv zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen ein. Als Unterzeichner der Konvention muss jeder Gewaltakt gegen Frauen als Verbrechen eingestuft werden. Alle EU-Mitgliedsstaaten hatten sie unterzeichnet. Die Begründung: Es fördere die homosexuelle Ideologie. Übrigens will auch die Türkei das Abkommen verlassen.

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LGBTQIA*-Menschne werden zum Sündenbock für alle Probleme in Polen erklärt.(Photo: istock.com/nadia_bormotova)

Was können wir tun?

Zum Einen ist es wichtig, dass die Thematik überhaupt bekannt ist, dass darüber gesprochen wird und dass in der Politik auch Taten folgen. Es gibt außerdem viele Petitionen, die sich beispielsweise an Ursula von der Leyen wenden, um Polen aufzufordern den EU-Rechten nachzukommen. Aber auch Spenden können helfen.

Petitionen gegen die Hetze auf LGBTQIA* in Polen:

Es kann nicht sein, dass ein EU-Staat ganze Gruppen ausschließt und sogar, wenn auch nur symbolisch, Zonen errichtet, in denen diese nicht erwünscht sind und das mit lächerlichen Begründungen. Immer wieder wird behauptet, LGBT seien kommunistisches Gedankengut, dann sind die Feministinnen schuld und manchmal sind LGBT auch einfach Nazis. 

Besonders letzteres sollte Alarmglocken aufschrillen lassen, denn Nazis hatten mit LGBT-Rechten genauso wenig zu tun, wie die PiS es gern hätte. Auch die LGBT-freien Zonen erinnern doch stark an die „judenfreien Zonen“ der Nazis. Wer verfolgt da die viel beschrieene Ideologie?