Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht sind typische “Zivilisationskrankheiten”, an der laut Anhängern der Paleo-Diät die ungesunde moderne Ernährung schuld ist. Nach dem Steinzeit-Prinzip sollten wir auf landwirtschaftlich erzeugte Kohlenhydratbomben verzichten und unsere Ernährung an die Altsteinzeit anpassen.
Eigentlich sehr vorbildlich, sich zwischen Massentierhaltung und landwirtschaftlich genutzten Pestiziden etwas Naturbelassenheit zurückzuwünschen. Leider sind viele Annahmen der Paleo-Diät schlicht falsch. Welche das sind und was Steinzeitmenschen wirklich gegessen haben, verraten wir dir hier.
Alle Paleo-Mythen kurz zusammengefasst findest du auch hier.
Steinzeit-Diät: Diese Lebensmittel sind erlaubt
Die Grundprinzipien der Steinzeiternährung sind schnell erklärt, aber schwierig umzusetzen. Was auf den Teller kommt, ist offener als andere Diäten. Die einzige Voraussetzung ist, dass bereits unsere Vorfahren in der Lage waren, das Essen zu sammeln, pflücken, fischen oder jagen. Übrig bleiben diese Lebensmittel:
- Fleisch
- Fisch
- Früchte
- Gemüse
- Eier
- Beeren
- Pilze
- Kräutern
- Nüsse
- Honig
Die Getreideverarbeitung wurde erst später erfunden. Auf Brot und Nudeln muss also verzichtet werden. Dasselbe gilt für Milchprodukte, Hülsenfrüchte und die meisten Öle. Kartoffeln und Reis sind nur in geringen Mengen erlaubt und eigentlich kein Grundbestandteil einer eher kohlenhydratarmen Paleo-Diät. Von Alkohol, Fertigprodukten und Fast Food ganz zu schweigen.
Diese 4 Paleo-Annahmen sind falsch
Hinter der Steinzeit-Diät steckt die Annahme, dass moderne Lebensmittel unser Verdauungssystem und unser Stoffwechsel durcheinander bringen. Kurz: Unser Körper hat sich an die heutige Ernährung nicht gewöhnt. Wie die meisten Aussagen zur Steinzeit-Ernährung beruhen die Annahmen kaum auf wissenschaftlichen Belegen.
Mythos 1: Der Mensch ist nur für bestimmte Lebensmittel geschaffen
Die Altsteinzeit nimmt den größten Teil der Menschheitsgeschichte ein. Die Annahme, dass sich unser Körper in dieser Zeit perfekt an die Umwelt angepasst hat, ist trotzdem nicht haltbar. Die Evolution kann furchtbar schnell sein, immerhin liegen zwischen dem Steinzeitmensch und uns rund 700 genetische Veränderungen.
Das beste Beispiel dafür, dass die Evolution keine 10.000 Jahre für bestimmte Anpassungen benötigt, ist Milch. Mit der Viehzucht kam das Enzym Lactase und die Laktoseintoleranz verschwand innerhalb weniger Dutzend Generationen fast vollständig.
Sollte das nicht ziehen, orientieren sich Paleo-Anhänger häufig an Urvölkern. Die modernen Jäger und Sammler dienen als Paradebeispiel für eine Ernährungsweise im Einklang der Natur. Das trifft zu, mit der Steinzeit-Ernährung haben aber nicht alle viel am Hut. Die Inuit ernähren sich von Fleisch und Fisch, die afrikanischen Kung vor allem vegetarisch, die Massai setzen auf Milch als Hauptnahrungsmittel – entgegen aller Paleo-Vorschriften.
Mythos 2: Menschen sind für Fleisch geschaffen
Zu den meisten Paleo-Diäten gehört Fleisch dazu, meist sogar in größeren Mengen. Mit abgepackten Salami- und Mortadella-Scheiben en masse hat die Paleo-Diät erfreulicherweise wenig zu tun. Dafür wird häufiger das ein oder andere Steak über die Bio Company-Theke gehen. Auch unsere Vorfahren waren erwiesenermaßen Fleischfresser. Aber sind wir deshalb auch daran angepasst?
Die ernüchternde Antwort lautet aus mehreren Gründen: Nein. Die menschliche Darmflora, der lange Verdauungstrakt und die großen Backenzähne beweisen, dass Menschen vorwiegend Pflanzenfresser sind. Außerdem können wir kein Vitamin C synthetisieren. Was zeigt, dass wir sogar auf pflanzliche Nahrung angewiesen sind.
Die Theorie vom fleischfressenden Steinzeitmenschen hält sich zwar wacker, gilt aber eigentlich nur für diejenigen, die in Gebieten wohnten, in denen Pflanzen Mangelware sind. Die falschen Annahmen entstehen, weil Knochen eine sehr viel bessere Haltbarkeit haben und weil Analyseverfahren nicht zuverlässig sind.
Mit der Stickstoffisotopenanalyse lässt sich feststellen, wo sich ein Lebewesen in der Nahrungskette befindet. Je höher der Anteil des schweren Stickstoff-Isotops in den Knochen und Zähnen, desto eher ist das Lebewesen Fleischfresser.
Das Problem: Auch das Klima, der Wasserzugang und die sonstige Ernährung haben einen Einfluss auf das Ergebnis. Menschen aus Ostafrika haben höhere Werte als Löwen, die Mayas vergleichbare Werte mit den dort lebenden Jaguaren.
Keine Frage, Fleisch wurde auch in der Steinzeit gegessen. Allerdings magerer und sehr viel weniger, als viele annehmen.
Mythos 3: Kohlenhydrate gab es in der Steinzeit kaum
Die Erfindung der Landwirtschaft ist der Ursprung allen Übels. Darin sind sich erstaunlich viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen einig. Dass deswegen auf Getreide und Hülsenfrüchte verzichtet werden sollte, ist Quatsch.
Die ersten Mörserwerkzeuge wurden bereits 20.000 Jahre vor der Erfindung der Landwirtschaft gebastelt, Zahnsteinanalysen zeigen, dass Gerste und Hülsenfrüchte schon in der Steinzeit auf dem Speiseplan standen und eine Studie im Wissenschaftsjournal Science berichtet über Funde von stärkehaltigen Wurzelstöcken, die auf die noch heute verbreitete “Afrikanische Kartoffel” hinweisen.
Mythos 4: Wir können uns ernähren wie Steinzeitmenschen
Wildformen sind ausgestorben. Nahezu alles, was wir heute noch essen, ist gezüchtet und domestiziert.
Bananen enthielten Samen und Kerne, die das Essen deutlich erschweren würden. Der Mensch reagierte wie erwartet und züchtete die schlechten Eigenschaften einfach weg. Die Folge: Bananen sind ein gesunder und schneller Snack für zwischendurch, können sich aber leider nicht mehr selber reproduzieren. Jede Banane ist nur ein Klon einer anderen Banane.
Ähnliches trifft auch auf Salat, Brokkoli und Karotten zu. Besonders hart trifft Paleo-Anhänger der Grenzfall Olivenöl. Als Fruchtöl aus der Olive eigentlich erlaubt, ist heute bekannt, dass das Produkt bäuerlichen Ursprungs ist.
Mythos 5: Die Paläo-Diät ist gesund & hilft beim abnehmen
Diese Annahme stimmt nur bedingt. In der Theorie folgt die Paleo-Diät der Low-Carb-Theorie. Wird der größte Teil der Nahrung aus Fett und Eiweiß bezogen, stellt sich der Stoffwechsel um. Fett wird als erste Energiequelle angezapft und verbrannt. Einige Ärzte warnen aber vor der kohlenhydratarmen Kost. Wer zu viel fettiges Fleisch isst, wird früher oder später die Folgeerkrankungen zu spüren bekommen. Übergewicht kann außerdem zu Gelenkproblemen, Bluthochdruck und Depressionen führen.
Studien zeigen allerdings, dass die Steinzeiternährung viele Erkrankungen mindern kann. Dazu gehören beispielsweise Dickdarmkrebs, Epilepsie, Diabetes und sogar oxidativer Stress. Das liegt allerdings weniger daran, dass sich die Probanden auf bestimmte zugelassene Lebensmittel beschränkt haben, sondern eher an der allgemeinen Ernährungsumstellung.
Was können wir aus der Paleo-Diät lernen?
Paleo-Lebensmittel haben wenig mit der typischen Steinzeit-Ernährung zu tun. Sie deswegen als unsinnig abzustempeln, ist allerdings auch falsch. Aus den Anfängen können wir einiges mitnehmen.
Zum Beispiel, dass wir stark verarbeitete Lebensmittel und Überfluss vermeiden sollten. Für einen Liter Limonade hätten Steinzeitmenschen über drei Meter Zuckerrohr verdrücken müssen. Eine riesige Menge, verglichen mit der Limo, mit der wir mal eben die kleine Mini-Pizza vom Bäcker runtergespült haben. Auf Fertigprodukte zu verzichten, sorgt erwiesenermaßen dafür, dass metabolische Störungen und Zivilisationskrankheiten reduziert werden.
Eine andere Lehre ist, unseren Speiseplan vielfältiger zu gestalten. In der Steinzeit waren Lebensmittel nicht ständig und auch nicht zu jeder Jahreszeit verfügbar. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist häufig der Schlüssel für mehr Wohlbefinden und Gesundheit. Das bestätigen auch die vielen Ernährungskulturen auf der ganzen Welt. Wir sind nicht an bestimmte Lebensmittel gebunden. Im Gegenteil, gerade die Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lebensmittel hat unser Überleben gesichert.
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