Als Kind hatte ich ständig Schürf- oder Schnittwunden. Mein Vater gab mir stets den Ratschlag: einfach raufpinkeln. Was jetzt für viele an der Grenze zum guten Geschmack sein wird, ist gar nicht mal so abwegig. Immerhin heißt es, Urin wäre antimikrobiell und entzündungshemmend. Und eben wegen dieser Wirkungen belassen es viele nicht beim auf-den-Finger-urinieren, sondern setzen sogar auf die sogenannte Eigenurintherapie, um Hautunreinheiten vorzubeugen. Wir verraten dir, was hinter dem Trend steckt und wie viel man sich davon versprechen kann.
Eigenurintherapie: Das erwartet dich
Wie funktioniert die Eigenurintherapie?
Urin und unsere Gesundheit sind eng miteinander verbunden, immerhin kann unsere Urinfarbe allein einiges über unser körperliches Wohlergehen verraten. Bei der Eigenurintherapie wird dem Harn zudem eine heilende Wirkung zugeschrieben, die allerdings wissenschaftlich stark umstritten ist. Bis heute gibt es keine wissenschaftlichen Belege, welche eine Eigenurintherapie legitimieren.
Vor allem die uralte Naturheilkunde ist nichtsdestotrotz großer Fan des Verfahrens, bei dem der eigene Urin getrunken oder als Tinktur auf die Haut aufgetragen wird. Mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit, sich Urin in die Muskeln spritzen zu lassen.
Wozu das? Um den Körper zu entgiften, den Stoffwechsel anzuregen und unsere Immunabwehr in Gang zu bringen. Die Urin-Tinktur soll vor allem eine wahre Wunderwaffe für schöne Haut und gegen Neurodermitis sein. Sie gelingt einfach wie denkwürdig: Einfach auf ein Wattepad urinieren und dieses unverzüglich im Gesicht auftupfen. Aber Vorsicht: Nicht jeder sollte mit dieser Hautpflege vorliebnehmen.
Das Problem mit der Eigenurintherapie
Die Naturheilkunde sieht außerdem große Erfolge in der Behandlung von Asthma und Heuschnupfen durch die Eigenurintherapie. Schulmediziner sehen das skeptisch und betonen vor allem, dass es sich beim Urin um ein Abfallprodukt des Körpers handelt, welches man sich nicht nachträglich wieder einverleiben sollte – auf welchem Weg auch immer.
Zwar wird in vielen Pflegecremes ebenfalls Harnstoff aka. Urea verwendet, doch die geringe Konzentration wäre kaum ausschlaggebend. Zudem ist der körpereigene Urin weit weniger keimfrei als angenommen: Statt antimikrobiell zu sein, können zahlreiche Bakterien im Urin zu Entzündungen führen.
Besonders gefährlich wird die Anwendung dann, wenn ein Blasen- oder Harnwegsinfekt oder eine sexuell übertragbare Krankheit vorliegt. Aber auch Diabetiker und Menschen mit Bluthochdruck sollten besser die Finger von der Eigenurintherapie lassen.
Verschafft Eigenurin verlässlich schöne Haut?
Körperlich gesunde Menschen haben dagegen höchstens ein Ausbleiben der erwünschten hautreinigenden Wirkung zu befürchten. Manche klagen während der Eigenurintherapie allerdings auch über Müdigkeit, Kopfschmerzen und Durchfall. Viele nehmen diese Nebenwirkungen aber gerne in Kauf beim Kampf um eine makellose Haut.
Zugegeben, hier gehört ein Fünkchen Verzweiflung dazu. Doch wer unter starken Hautunreinheiten oder Akne leidet, muss für sich selbst wissen, ob der Versuch lohnt. Immerhin erklären manche Dermatologen, dass die sterile, antimikrobielle und entzündungshemmende Wirkung von Urin tatsächlich gegen Hautunreinheiten hilft. Die enthaltenden Mineralstoffe, Salze, Hormone und Enzyme können zudem für einen Glow sorgen. Doch wissen die Expert:innen auch, dass traditionelle Kosmetik den eigenen Urin um Längen schlägt.
Wenn Eigenurintherapie, dann steril
Dass die Wirksamkeit umstritten ist und dass du dir deinen Urin womöglich völlig umsonst mit einem Wattepad ins Gesicht schmierst, stört dich kein bisschen? Dann achte beim Selbstversuch auf Folgendes:
- Nutze einen sterilen Becher, in den du urinierst.
- Nutze den Urin frisch, um keine Verunreinigung zu riskieren.
- Tränke das Wattepad im Urin und tupfe in behutsam in dein Gesicht.
- Lasse den Urin 10 Minuten einwirken und hole ihn mit lauwarmen Wasser und Seife runter.
- Nutze anschließend Feuchtigkeitspflege.
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