Immer mehr Menschen leiden unter Einsamkeit, Trauer und Depressionen. Vor allem in den USA wird das zum Problem. Denn wenn Glückspillen und Angstlöser nicht verschreibungspflichtig sind, werden sie wie Smarties geschluckt. Auch die Anzahl der Rezepte für Antidepressiva hat sich dort in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Weil die nicht ohne Nebenwirkungen auskommen, sind Wissenschaftler auf der Suche nach Alternativen. Eine Option: psychedelische Drogen.
Kurze Erklärung: Als Untergruppe von Halluzinogenen fallen unter Psychedelika unter anderem die Substanzen LSD und Psilocybin. Letzteres ist ein Bestandteil von Pilzen und unter dem Namen Magic Mushroom zu etwas streitbarer Berühmtheit geworden.
Psychedelische Drogen – sinnvoller Tabubruch?
Die Geschichte hinter den Psychedelika hat viel mehr zu bieten als Rebellionen und Hippie-Partys. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts wurden klinische Studien an 40.000 Probanden durchgeführt und mehr als 1.000 wissenschaftliche Paper veröffentlicht. Zu dieser Zeit war LSD ein fester Bestandteil jeder Psychiatrie-Apotheke in Europa und Nordamerika. Erst danach wurden die Drogen von damaligen führenden Politikern wie Ronald Reagan verteufelt.
Das Image als Hippiedroge hat sich dennoch lange gehalten. Die Herstellung von Halluzinogenen, beziehungsweise Psychedelika, ist (meistens) illegal, der Besitz strafbar und in den vielen Ländern ein absolutes Tabu. David Nutt, ein Neuropharmakologe, wurde 2007 vom Vorsitz des Advisory Council on the Misuse of Drugs (ACMD) als Berater der britischen Regierung für Drogenfragen abgesetzt, weil er in einer Studie die körperlichen und gesellschaftlichen Gefahren von Cannabis, LSD und Ecstasy geringer als die von Alkohol und Tabak einstufte.
Erfolge mit Psychedelika der letzten Jahre
Hinweise auf das Potenzial von LSD, MDMA, Magic Mushrooms und Co. bei Depressionen gab es auch in diesem Jahrhundert. 2016 verabreichte Roland Griffiths Krebspatienten Psilocybin gegen ihre Angst vor dem Tod – mit Erfolg.
Im gleichen Jahr verabreichten Forscher in einer Studie, an der auch David Nutt beteiligt war, 12 stark depressiven Probanden dasselbe Mittel. Die erfolglosen vorherigen Versuche mit herkömmlichen Antidepressiva hatten nicht angeschlagen. Mit Hilfe von Psychedelikas konnten die Depressionen bei immerhin acht Patienten gelindert werden.
Also ist die Sache mit den schlimmen Halluzinogen ein großes Missverständnis? Können psychedelische Drogen Depressionen heilen?
Die Gefahren von psychedelischen Drogen
Tatsächlich werden die Effekte als angstlösend beschrieben. Sie können Zwänge aufbrechen und das Selbstwertgefühl stärken. Psychedelika ermöglichen ein plastischeres Denken. Gedanken werden greifbarer, das Vorstellungsvermögen wird erweitert und Konsumenten nehmen mehr und schneller Möglichkeiten zur Veränderung wahr.
Trotzdem bergen solche Therapien Risiken. Der Verlauf eines Trips ist nämlich kaum planbar. Angstgefühle und Paranoia können im schlimmsten Fall sogar Schäden anrichten und vergrößern. Bei den 12 Probanden berichteten alle einstimmig über Ängste und Denkstörungen. Übelkeit und Kopfschmerzen traten bei vier Teilnehmern auf.
Darüber hinaus können Patienten vorübergehende Wahnvorstellungen, Pseudohalluzinationen und Flashbacks entwickeln, die auch auftreten können, wenn der Trip schon längst vorüber ist. Deswegen wird als Voraussetzung für die Einnahme solcher Mittel eine beruhigende Umgebung und eine gute mentale Verfassung empfohlen. Woran genau festgemacht wird, ob ein schwer depressiver Patient mental stabil ist, bleibt da eine ungenaue Interpretationssache.
Gibt es nicht gute Alternativen?
Wer sich schon einmal um einen Platz für eine Psychotherapie beworben hat, weiß, wie viele Nachteile so eine Behandlung hat. Wobei eine „Bewerbung“ für die Behandlung einer Krankheit an sich nur das erste unter vielen Problemen darstellt.
Die Sitzungen sind teuer und enden im ständigen Kampf mit der Krankenkasse. Die Termine sind zwar regelmäßig, aber selten. Eine schwere psychische Erkrankung kann so nicht geheilt werden, was den Gang in die Klinik oft unausweichlich macht. Dort gehört zur Rundumbetreuung auch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten. Am häufigsten verschiedene Antidepressiva.
Die gängigsten Antidepressiva sind die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Das wahrscheinlich größte Problem dabei: Etwa 20 % aller Patienten mit Depressionen sprechen gar nicht auf SSRI’s an. Dazu kommen die Nebenwirkungen. Gewichtszunahme sowie die Klassiker Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Übelkeit. Schlagen die Antidepressiva an, beruht die Wirkung eher auf der Akzeptanz als auf Heilung. Klar, die Tiefpunkte bleiben aus. Die fröhlichen Hochs dafür auch.
Psychedelika: Viel Potenzial wegen schlechter Alternativen
Das Potential ist also bei allen beschränkt, mit Nebenwirkungen verbunden und nicht ausreichend erforscht. Die ersten Erfolge von psychedelischen Drogen lassen allerdings hoffen. Bereits in diesem Jahr soll in Berlin an der Universitätsklinik der Charité weiter an der Wirkung und dem therapeutischen Potential von Psychedelika geforscht werden. Bis zu einer Zulassung wird allerdings noch viel Zeit vergehen. Bis zu 150 Millionen Euro soll die Zulassung eines Psychedelikum wie Psilocybin als Medikament kosten.
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