Rempele ich auf der Straße aus Versehen jemanden an, huscht mir schnell ein kurzes „Sorry“ über die Lippen. Kommt es jedoch darauf an, mich im Privaten bei Freunden, meiner Familie oder meinem Partner zu entschuldigen, weil ich mich falsch verhalten habe, geht mir so eine Entschuldigung schon schwerer über die Lippen. Aber wieso ist das eigentlich so? Wieso fällt es uns so schwer, um Entschuldigen zu bitten? Die Psychologin Molly Howes kennt dafür gleich fünf gute Gründe.
Alles zum Thema „um Entschuldigung bitten“:
Um Entschuldigung bitten: Wann es nötig wird
Ist es dir schon mal passiert, dass du dich für etwas entschuldigt hast, was gar keine Entschuldigung wert war? Mir passiert es beispielsweise ständig, dass ich mich allein dafür entschuldige, im Weg zu stehen. Mittlerweile beiße ich mir zwar immer öfter auf die Zunge, doch an so manch hektischem Bahnhof rutscht mir im Gedränge dann eben doch öfter mal ein „Sorry“ raus. Damit bin ich allerdings in bester Gesellschaft, da vor allem Frauen sich viel zu häufig unnötig entschuldigen.
Eine Entschuldigung ist allerdings erst dann vonnöten, wenn man dem Wortsinn nach „Schuld“ auf sich geladen hat. Es muss demnach ein Fehlverhalten vorliegen, man muss gegen moralische und gesellschaftliche Werte verstoßen. Einfach im Weg zu stehen, gehört mit Sicherheit nicht zu diesen Dingen.
Wider der Absprache mit dem Partner oder der Partnerin fremdzugehen, allerdings schon. In solchen Fällen kann und sollte man zwecks Schuldtilgung, persönlicher Bindungen und einem harmonischen Leben um Entschuldigung bitten.
Was in unserem Kopf passiert, wenn wir Schuld auf uns laden
Gerade hier liegt jedoch die Krux des Ganzen. Laut der Psychologin Elliot Aronson befinden wir uns nämlich in einem Zustand der kognitiven Dissonanz, wenn wir Schuld auf uns laden und die auch noch eingestehen sollen. Wir gehen nämlich von Grund auf davon aus, dass wir uns immer richtig verhalten. Kommt es nun dazu, dass wir uns derart falsch verhalten, dass eine aufrichtige Entschuldigung nötig wird, verwirrt das einfach gesagt unser Gehirn.
Nice to know: Kognitionen sind einzelne mentale Ereignisse, die wir bewerten. Geraten diese in Konflikt miteinander, entsteht eine Dissonanz. Der Begriff der kognitiven Dissonanz geht auf den Psychologen Leon Festinger zurück und meint also ein unangenehmes Gefühl, welches durch widersprüchliche Wahrnehmungen, Gedanken und Einstellungen entsteht. Schuld entgegen besseren Wissens auf sich zu laden, kann eine ebensolche kognitive Dissonanz auslösen.
Darum fällt es uns so schwer, uns zu entschuldigen
Um Entschuldigung zu bitten, kann diese Dissonanz auflösen. Was jedoch nicht heißt, dass uns das leicht fällt. Ganz im Gegenteil. Oft müssen wir erst unseren Stolz überwinden oder andere negative Gefühle herunterschlucken, um ein aufrichtiges „Es tut mir leid.“ herauszubringen. Die Psychologin Molly Howes nennt in ihrem Buch „A Good Apology“ gleich fünf Gründe, warum es uns so schwerfällt, um Entschuldigung zu bitten:
1. Unser Gehirn
Howes bringt wie Aronson unser Gehirn als ausschlaggebenden Faktor dafür an, warum uns um Verzeihung zu bitten so schwerfällt. Tatsache ist nämlich, dass sich unser Hirn deutlich wohler damit fühlt, wenn wir recht haben. Dabei wird nämlich jede Menge Dopamin ausgeschüttet, welches uns glücklich fühlen lässt. Vielleicht kennst auch du dieses gute Gefühl in einem Streit, wenn dir jemand recht geben muss? Hierbei passiert genau das.
Die Psychologin schreibt: „Das Gehirn ist süchtig danach, recht zu behalten.“ Evolutionär betrachtet war das auch ungemein wichtig. Schätzten unsere Vorfahren etwa eine Situation falsch ein, konnte das ihnen das Leben kosten – weil etwa ein Säbelzahntiger um die Ecke schoss. Daher fühlt es sich bis heute schlecht an, wenn wir eine Fehlentscheidung treffen, selbst wenn diese weit weniger lebensbedrohlich ist.
Außerdem verweist Howes auf den sogenannten Bestätigungsfehler: „Wir legen uns Informationen und Details so zurecht, dass am Ende alles darauf hindeutet, andere – und nicht wir – seien im Irrtum und sollten um Verzeihung bitten“.
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2. Unsere Fehlerkultur
„Ein nachsichtiger und konstruktiver Umgang mit Fehlern ist keine Selbstverständlichkeit in unserer Gesellschaft“, schreibt Howes. Vor allem Menschen, die viel zu verlieren haben, tun sich daher schwer damit, um Verzeihung zu bitten. Das können Menschen sein, die in Führungspositionen sind, aber auch solche, die sehr perfektionistisch veranlagt sind und Fehler generell aus ihrem Leben fernhalten wollen.
Für diese Menschen ist es besonders schwer, Schuld einzugestehen, da sie Fehler als Schwäche und Niederlage verstehen. Um Entschuldigung zu bitten, kommt für sie einem Eingeständnis ihrer Unfähigkeit gleich. Zwar wissen sie, dass Fehler menschlich sind und zu einem Lernprozess dazugehören, doch stehen ihnen die eigenen hohen Ansprüche im Weg.
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3. Unsere Scham – zu viel oder zu wenig davon
Zum einen können unsichere und sehr selbstkritische Menschen sich schwer damit tun, um Entschuldigung zu bitten. Ihre negative Selbstwahrnehmung kann nämlich zu einem zu großen Scham- oder Schuldgefühl führen, welches einer Entschuldigung mitunter im Weg steht. Lieber schweigen sie und ziehen sich zurück, statt sich der Situation zu stellen.
Zum anderen gibt es aber auch Menschen, die aufgrund einer Persönlichkeitsstörung gar keine Scham empfinden. Narzist:innen sind hierfür ein gutes Beispiel. Sie sind sich ihrem Fehler überhaupt nicht bewusst und wissen mitunter gar nicht, dass eine Entschuldigung angebracht wäre. Howes betont, dass es vor allem Empathie bedarf, um eine Entschuldigung hervorzubringen. Wem die aufgrund einer psychischen Erkrankung fehlt, tut sich besonders schwer.
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4. Unsere Kindheit
Erfahrungen aus unserer Kindheit prägen uns bis ins Erwachsenenalter. Wurde man als Kind beispielsweise häufig gezwungen, sich zu entschuldigen, auch wenn kein Fehler vorlag, kann das im Erwachsenenalter zu einem Problem werden. Das Trauma sitzt dann mitunter so tief, dass diese Menschen Entschuldigungen meiden. Andere sehen im Entschuldigen schlicht keinen Sinn, weil sie vielleicht die Erfahrung gemacht haben, eine Situation damit nicht ändern zu können.
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5. Unsere Verletzlichkeit
Zuletzt bringt Howes unsere eigene Verletzlichkeit als Grund an, warum wir nur schwerlich um Entschuldigung bitten können. „Viele von uns sind sich eines falschen Handelns sehr wohl bewusst, und doch wollen sie sich partout nicht entschuldigen – weil sie zu verletzt sind“, schreibt die Psychologin. Wenn ein Mensch tief verletzt ist, geht eine Entschuldigung einfach schwerer über die Lippen.
Manche Entschuldigungen bleiben aber auch aus Angst, den oder die andere:n zu verletzen, aus. Ist man beispielsweise fremdgegangen und möchte sich dafür entschuldigen, kann das dem oder der Partner:in den Boden unter den Füßen wegreißen. Eine Entschuldigung kann demnach nicht nur reinigend und erleichternd sein, sondern auch Konsequenzen nach sich ziehen, die manche schlicht nicht bereit sind, zu tragen.