Intersexuelle Menschen galten lange als ‚unnormal‘ und als eine Person, die korrigiert werden müsste – notfalls auch mithilfe einer Operation.
Der Grund: Sie haben angeborene Geschlechtsmerkmale, die aus Sicht der herrschenden gesellschaftlichen und medizinischen Norm nicht klar eingeordnet werden können. Damit fallen sie weder in die Kategorie männlich noch die Kategorie weiblich.
Nach dem Verein Intersexuellen Menschen e.V. gibt es in Deutschland rund 80.000 bis 120.000 Intersexuelle. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer körperlichen Varianten – bis zu 4.000 konnten bereits festgestellt werden.
Was genau Intersexualität ist und warum Intersexuelle noch immer nicht vollständig in der Gesellschaft akzeptiert sind, erfährst du hier.
Was ist Intersexualität?
Menschen sind intersexuell, wenn sie Merkmale von beiden Geschlechtern haben. Das Äußere stimmt hier nicht mit dem Inneren überein oder weicht vom Chromosomensatz XX beziehungsweise XY ab.
Das Geschlecht des Körpers wird uneindeutig, wenn zum Beispiel nur ein X-Chromosom alleine vorhanden ist – das sogenannte Turner-Syndrom führt zu einem äußeren weiblichen Erscheinungsbild.
Formen mit XXY-Chromosomen führen zu einem äußerlich männlichen Erscheinungsbild – auch bezeichnet als Klinefelter-Syndrom.
Immer wieder wird außerdem darauf hingewiesen, dass Intersexualität deutlich von Transsexualität abgegrenzt werden müsse.
Intersexualität = Transsexualität?
Intersexualität hat nichts mit Transsexualität zu tun. Da Transsexuelle eindeutig in ihrem männlichen oder weiblichen Körper geboren sind, sich aber dem anderen zugehörig fühlen. Intersexuelle hingegen können keinem Geschlecht eindeutig zugeordnet werden.
DW.de berichtet, dass diese Unsicherheit in den meisten Fällen dazu führt, das Ärzte und Eltern bereits nach der Geburt des Kindes oder in den ersten Jahren entscheiden, das Geschlecht anzupassen – weder männlich noch weiblich zu sein erscheint für viele unerträglich. Ärzte sprachen in diesem Zusammenhang sogar immer wieder von einer Störung der Geschlechtsentwicklung.
Problematisch ist bei diesem Eingriff, dass Eltern und Mediziner nicht wissen, wohin sich Geist und Körper eines Kindes entwickeln werden. Ein Grund, warum die diese Operationen immer wieder auf viel Kritik stoßen.
Der Bundesverband intersexueller Menschen machte außerdem deutlich, dass Intersexualität keine Störung sei. Eine Ansicht, die sich mittlerweile auch in der Gesellschaft verbreitet hat.
So haben sich Bezeichnungen wie “Varianten der Geschlechtsentwicklung” oder “Differences of Sexual Development, kurz: DSD, weitestgehend durchgesetzt. Das liegt auch daran, dass die Folgen weiter in den Vordergrund gerückt sind.
Die Folgen von Operationen im Kindesalter
Es gibt Kinder, die an den Geschlechtsorganen operiert wurden und damit glücklich leben. Gleichzeitig können geschlechtsangleichende OPS aber auch genau das Gegenteil bewirken und den Geist und Körper dauerhaft schädigen.
Depressionen, Traumatisierungen, aber auch Probleme beim Sex können potenzielle Probleme sein. Aufgrunddessen haben sich seit Anfang der Nullerjahre diverse Organisationen dafür ausgesprochen, Intersex-OPs nur sehr restriktiv durchzuführen.
Dennoch: Intersexuelle Menschen setzen sich oft ihr ganzes Leben lang mit der Norm der Geschlechter in männlich und weiblich intensiv auseinander. Außerdem leben sie in sehr unterschiedlichen Geschlechterrollen und können weiblich, männlich oder intersexuell sein.
Wie sich ein intersexueller Mensch sieht, wird durch viele verschiedenen Faktoren geprägt und ist das Ergebnis einer langen Differenzierungsphase.
Ähnlich sieht das mittlerweile auch die Gesetzgebung. So will die Bundesregierung frühzeitige Operationen zukünftig verbieten, damit die Betroffenen selbst wählen können.
Dafür hat das Kabinett im letzten Jahr einen Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verabschiedet, mit dem sich Ende Oktober zunächst der Familienausschuss des Bundesrates befasste. Wann das Gesetz in den Bundestag kommt, ist jedoch noch offen.
Eines steht jedoch fest: Intersexualität ist nicht nur ein inneres Gefühl oder eine äußerliche Erscheinung, sondern auch eine alltägliche Einschränkung. Das zumindest belegt diese Studie, die sich mit der Intersexualität am Arbeitsplatz auseinandergesetzt hat.
Intersexualität am Arbeitsplatz
Innerhalb der Studie Inter Office vom Kölner Institut für Diversity und Antidiskriminierungsforschung wurde das Thema Intersexualität am Arbeitsplatz näher analysiert.
Die Befragten wiesen hier auf diverse Mängel hin. Dazu zählten, unter anderem, eine unzureichende Unterstützung durch den Arbeitgeber bei Diskriminierungen oder dem Fehlen von ganz pragmatischen Dingen wie Sanitärräumen.
Des Weiteren würden sie in Schreiben und Formularen nicht ausreichend durch gendergerechte Sprache mit einbezogen werden. Insgesamt sprachen sie immer wieder von einem schlechten Arbeitsklima in den einzelnen Teams und Organisationen.
Auch Experten sehen Handlungsbedarf im Arbeitsrecht, denn Vorschriften, die an das Geschlecht anknüpfen sollten, müssen angepasst werden.
Dies gelte vor allem bei den Vorschriften, die nach dem Geschlecht differenzieren, ohne damit das typischerweise benachteiligte Geschlecht besser zustellen. Beispielhaft dafür wären dienstrechtliche Bekleidungsvorschriften.
Was ist Intersexualität? – eine Störung ist es nicht
Im Bereich der Intersexualität hat sich schon einiges getan – für viele jedoch noch nicht genug. Denn noch immer ist Intersexualität etwas ‚anderes‘ und ‚ ungewöhnliches‘. Etwas, das nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Wir finden: Es muss mehr Raum geschaffen werden, um den Menschen, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, mehr Normalität zu ermöglichen und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft.
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