„Mein Herz hat Platz für zwei oder auch drei“ davon singt Elisa Valerie in ihrer neusten Single „Platz für 2“. Damit spricht sie Themen an, die besonders viele jüngere Menschen beschäftigen. Muss ich mich fest binden oder kann ich auch mit mehreren eine Bindung eingehen?
Eine Studie von Elite Partner von 2018 zeigt, dass in Deutschland gerade mal fünf Prozent bereits in einer offenen Beziehung waren. Wir bei wmn küren jede Woche eine inspirierende Frau zu unserer wöchentlichen Heldin. Diese Frauen empowern uns und reißen uns mit ihren Aussagen mit. Darüber, was die Bedeutung einer offenen Beziehung ist und wie sie funktionieren kann, haben wir mit Elisa Valerie besprochen.
Elisa Valerie kurz & knapp
- Die gebürtige Hamburgerin ist Sängerin und Songwriterin, für viele ist sie auch auf Social Media eine große Inspiration, da sie es gelassen nimmt und eine gewisse Coolness ausstrahlt
- Die Newcomerin verarbeitet in ihren Songtexten Themen wie Schwierigkeiten mit der Monogamie und ein On-Off Chaos, wodurch ihre Songs leicht sind, aber dennoch die nötige Tiefe haben
- Allgemein befasst sie sich viel mit den Themen wie Selbstbestimmung, Frausein, Sexualität und dem Leben im digitalen Zeitalter, womit sie andere inspirieren möchte, bestimmte Sachen mehr zu hinterfragen und darüber nachzudenken.
Elisa Valerie im Interview: „Dabei kommt es darauf an, die richtige Person zu finden, vor der man sich nicht schämen muss.“
wmn: In deinen Songs beschäftigst du dich viel mit dem Thema offene Beziehungen. Wie definierst du offene Beziehungen?
Elisa Valerie: Ich definiere eine offene Beziehung darüber, mehr als eine Person zu daten und vielleicht auch zu lieben.
wmn: Das Modell von offenen Beziehungen ist nicht für jeden was. Was ist wichtig in einer offenen Beziehung?
Elisa Valerie: Ich glaube die gleichen Sachen, die auch in einer monogamen Beziehung wichtig sind: Kommunikation, Vertrauen und das man über seine Bedürfnisse ganz offen spricht. Ich glaube, das Bedürfnis noch eine Person dazu zu holen oder sich irgendwie sexuell umzuorientieren oder auszuprobieren, sollte man schon als ein solches wahrnehmen. Wenn man das offen kommuniziert, dann ist da schon mal weniger ein Missverständnis möglich.
wmn: Wie denkst du, sollte man am besten kommunizieren, dass man bereit wäre, eine offene Beziehung zu führen?
Elisa Valerie: Das kommt wahrscheinlich darauf an, wie die Leute so generell in ihrer Beziehung kommunizieren, in der sie vielleicht schon sind oder in die sie hereingehen wollen. Aber am besten einfach das Gespräch suchen, generell viel über die Gefühle sprechen und dann finde ich, dann kann man so was auch gar nicht lange verschweigen oder verstecken, wenn man so ein Bedürfnis hat.
Inspiration für Songtexte – das alltägliche Leben in Berlin
wmn: Ist die Inspiration für deine Songtexte dein tägliches Leben?
Elisa Valerie: Ja, aber auch nicht nur mein Leben, sondern das, was mir erzählt wird, was ich mitbekomme. Auch das, was in Berlin für mich Lebensrealität ist und was ich kennengelernt habe.
wmn: Ist das nur in Berlin? Weil ursprünglich kommst du aus Hamburg, gibt es da für dich sehr große Unterschiede?
Elisa Valerie: Ja, tatsächlich schon. Aber ich weiß nicht, ob das mehr daran liegt, dass ich einfach jünger war in Hamburg und dass man sich da generell eher an klassischen Beziehungsmodellen orientiert hat, für die ersten Erfahrungen, ich weiß es nicht genau. Aber in Berlin habe ich schon das Gefühl, dass es hier ein bisschen anders ist und es ganz neue Eindrücke auf der Ebene gab und auch für meinen Freundeskreis.
Falls du dir das Interview lieber in voller Länge anschauen willst, dann schau gern hier vorbei:
Die Liste von Mann-Frau-Klischees, die gar nicht gehen, ist lang
wmn: In deinem ersten Song „Baby“ geht es um die Selbstbestimmung der Frau und dass auch Frauen manchmal nur ihren Spaß haben wollen. Was bedeutet das für dich?
Elisa Valerie: Bei diesem Song habe ich einfach versucht, ein bisschen mit dieser Narrative zu spielen, die total vorherrschend ist, dass es oft so ist, dass die Frau sich ganz schnell verliebt und der Mann dann eher sagen muss „Hey, ich will eigentlich nur Spaß“ also bei einer heterosexuellen Beziehung. Ich finde, es ist ganz oft in den Köpfen drin, dass die Frau häufig nach Liebe sucht und der Mann nach Spaß. Aber ich glaube, das ist geschlechtsunabhängig, wonach man sucht. Ich wollte damit auf jeden Fall mit spielen, da ich das auch von mir selber kenne, und das hat nichts damit zu tun, dass ich eine Frau bin.
wmn: Welche alten Mann-Frau-Klischees kannst du nicht mehr hören?
Elisa Valerie: Das sind so viele. Also es beginnt schon beim Autofahren, ich bin definitiv die beste Autofahrerin in meiner ganzen Familie. Dann auch das emotional sein als eine Frau-Sache abzutun oder, dass Männer viel sexueller sind als Frauen. Das finde ich auch ein supervorherrschendes Klischee, was überhaupt nicht stimmt. Das ist eine sehr lange Liste, glaube ich,
wmn: Und welches Klischee findest du am schlimmsten?
Elisa Valerie: Ich glaube, am schlimmsten finde ich schon, dass Frauen eher als schwächeres Geschlecht angesehen werden. Das stört mich am meisten. Weil ich glaube, das ist ein Glaubenssatz, der uns beigebracht wird und den wir dann auch verinnerlichen und uns dementsprechend verhalten.
Mehr zum Thema Gender Gap findest du hier: Gender Gaps: In diesen Bereichen sind Frauen noch immer benachteiligt
wmn: Denkst du nicht, dass dieser Glaubenssatz auch abgelegt werden kann?
Elisa Valerie: Total, aber ich glaube, dafür muss man erst mal erkennen, dass das ein Glaubenssatz ist, der gar nicht mehr nützlich ist und der von außen kommt. Dazu muss man das erst mal hinterfragen, das ist auch Arbeit.
Braucht es eine emotionale Bindung, um sexuelles Erwachen erleben zu können?
wmn: In der Redaktion ist uns letztens aufgefallen, dass wir in Teenagerjahren noch nichts über sexuelle Selbstbestimmung wussten. Wir hätten beispielsweise gerne in der Schule beigebracht bekommen, wie auch Frauen sexuelle Befriedigung bekommen. Was bedeutet sexuelles Erwachen für dich?
Elisa Valerie: Vielleicht auch einfach da seinen eigenen Bedürfnissen freien Lauf zu lassen und Sachen auszuprobieren. Sich einen safe space mit jemandem zu schaffen, wo man sich traut, solche Sachen zu machen und auszuprobieren, ohne dass das mit Scham behaftet ist. Dabei kommt es darauf an, die richtige Person zu finden, vor der man sich nicht schämen muss. Dann kann man zusammen sexuell erwachen.
Welche Dinge wir in Teenagerjahren noch gern gewusst hätten, findest du hier: Sex in der Jugend: Das hätten wir gern schon früher über Sex gewusst
wmn: Wenn man jetzt von einer offenen Beziehung ausgeht, bei der man beispielsweise mehrere Sexualpartner hat. Ist es da notwendig, eine Bindung zu haben?
Elisa Valerie: Ich würde sagen, dass das jeder selbst für sich entscheiden sollte, ob einem das wichtig ist. Ich weiß nicht, ob jeder für guten Sex eine Bindung zu der Person braucht. Wenn man das braucht, dann wird man wahrscheinlich jetzt nicht eine offene Beziehung führen, um One-Night-Stands zu haben. Sondern, um vielleicht auch mehrere intime Verbindungen zu entwickeln. Aber ich glaube, das geht voll danach, was man in der Hinsicht für Präferenzen hat.
Was sollte man tun, wenn man für mehr als eine Person, Gefühle hat?
wmn: In deinem zweiten Song „Platz für 2“ geht es um das Gefühl, in zwei Menschen gleichzeitig verliebt zu sein. Wie kann man damit am besten umgehen?
Elisa Valerie: Ich glaube, dass man auch da etwas ablegen muss, was einem vielleicht beigebracht wurde. Denn in meinem Umfeld beispielsweise sind die meisten aufgewachsen mit monogamen Beziehungen als Elternteile und ich glaube, dass es einem erst mal vielleicht falsch vorkommt, wenn man in zwei Leute verliebt ist.
Da man denkt, dass das nicht sein kann und man die eine Person vielleicht doch nicht liebt. Deswegen ist es da wichtig, diese Narrative abzulegen, die man hat. Wenn ich das so empfinde, dann ist es in Ordnung und dann ist das auch möglich, solange man zu allen ehrlich ist und das kommuniziert und niemanden da im Dunkeln lässt.
wmn: Hattest du das Gefühl selbst schon mal?
Elisa Valerie: Ja.
wmn: Und wie war das für dich?
Elisa Valerie: Anstrengend. Das alles zu kommunizieren ist a lot of work.
wmn: Und hattest du dann das Gefühl, dass du dich für eine Person entscheiden musst?
Elisa Valerie: Ja, tatsächlich. Aber nicht, weil ich das muss, sondern weil das nicht immer für alle, die davon betroffen sind, funktioniert.
Selbstliebe in Beziehungen – Was macht sie aus?
wmn: Inwieweit praktizierst du Selbstliebe in (offenen) Beziehungen?
Elisa Valerie: Ich versuche gerade ganz stark daran zu arbeiten, dass ich in Beziehungen versuche, meine eigenen Bedürfnisse, also nicht sexuelle Bedürfnisse, sondern tägliche Bedürfnisse nicht zurückzustellen. Das ist bei mir oft ein Fall, dass ich mich gerne einfach einer Struktur anpasse, ohne zu hinterfragen, ob das auch wirklich alles in meinem Sinne ist. Damit jetzt anzufangen, ist für mich ein Akt der Selbstliebe. Zu sagen, ich gucke richtig unabhängig von der Person, was will ich eigentlich in ganz alltäglichen Sachen.
Mehr zum Thema Selbstliebe findest du hier: 8 Selbstliebe-Übungen, die dich jeden Tag ein bisschen glücklicher machen
wmn: Da wir gerade beim Thema Selbstliebe sind, würdest du meinen, dass manche, die sich weniger selbstlieben, deswegen krampfhaft nach Beziehungen suchen? Oder sind das für dich zwei verschiedene paar Schuhe?
Elisa Valerie: Ich glaube, das sind zwei verschiedene paar Schuhe. Ich glaube, so einfach ist es nicht. Man kann nicht sagen, jemand, der sich nicht selbst liebt, will immer in Beziehungen sein und andersrum, wer sich super selbst liebt, ist voll Autonomie und möchte immer single sein. Das ist ein bisschen schwarz-weiß Denken. Natürlich, wenn man jemanden hat, der einem viel Liebe schenkt, dann ist das vielleicht für Menschen, die sich das selbst in einem bestimmten Zeitraum nicht geben können, eine gute Hilfe. Aber ich glaube nicht, dass das so einfach ist.
Elisa Valeries Tipps für eine offene Beziehung
wmn: Hast du einen Tipp für die Menschen da draußen, die offene Beziehungen ausprobieren wollen?
Elisa Valerie: Also ich würde mich jetzt gar nicht als diese Spoke-Person für dieses Thema sehen, sondern ich bin ja Musikerin, die einfach gerne alles aufgreift, was ich erlebe, und dann verpacke ich das gerne in Musik. Aber ich glaube, ich würde da einfach den Tipp geben, da keine Scheu vorzuhaben. Und ich glaube alles, bei dem man etwas umdenken muss, was seine normalen Strukturen sind, wenn man jetzt Monogamie als normale herkömmliche Struktur ansieht, dann muss man das umdenken. Sowas macht immer Angst und ist anstrengend, weil man eben etwas verändern muss in seinem Kopf.
Wenn da ein Bedürfnis für ist, dann würde ich empfehlen, keine Angst davor zuhaben und sich den Veränderungen zu öffnen. Letztendlich ist das trotzdem für alle irgendwie eine tolle Lebenserfahrung. Vielleicht ist es dann nichts für dich, oder vielleicht macht es dich mega glücklich. Ich glaube, dass man dadurch am Ende nur reifer an Erfahrungen wird, wenn man das möchte.
„Am Ende wird man nur reifer an Erfahrungen“
wmn: Wenn man jetzt einen Partner oder eine Partnerin hat, die damit nicht so einverstanden sind, hat man am Ende vielleicht auch Angst, denjenigen oder diejenige zu verlieren. Hast du da noch einen Tipp?
Elisa Valerie: Nein. (lacht) Das ist ja voll knifflig und vor allem, was auf gar keinem Fall passieren sollte, dass die eine Person nur zustimmt, weil der andere das möchte. Damit man sich nicht verliert, wenn der andere Bedürfnisse hat, die mir selbst total fremd sind und was ich selbst eigentlich gar nicht möchte, dann auch bloß nicht dazu ja sagen, nur um die Beziehung irgendwie am Leben zu erhalten. Das finde ich auch ganz furchtbar, sich auf irgendwelche Strukturen einzulassen, wo man weiß, es ist nichts für einen. Es müssen einfach beide wollen und wenn das einer von beiden nicht will, dann glaube ich nicht, dass das funktionieren kann.
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