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Annett Louisan: „Ich bin ein Glückskind“

Sängerin Annett Louisan veröffentlicht erstmals ein englisches Album. Wir haben mit ihr über musikalische Veränderungen, Kritik & Liebeskummer gesprochen.

lachende Sängerin Annett Louisan auf der Bühne
Sängerin Anett Louisan veröffentlicht am 21. August 2020 ihr neues Album. Foto: imago/Mavericks /

Bekannt geworden ist sie 2004 mit ihrem Lied „Ich will doch nur spielen“. Jetzt ist die bekannteste deutsche Chansons-Sängerin mit ihrem ersten englischsprachigem Album zurück. Auf der Platte „Kitsch“ covert sie Lieder, die sie berühren und die ein bisschen kitschig sind. Wir haben die Sängerin Annett Louisan anlässlich ihrer neuen Veröffentlichung interviewt.

wmn: Was für ein Stil hat dein neues Cover-Album?

Annett: Die Lieder sind ganz wild und bunt gemischt aus jeder Epoche. Von „Somewhere over the rainbow“ bis hin zu „Hello“ von Lionel Richie und „Atemlos durch die Nacht“. Musikalisch ist es sehr handgemacht. Bossanova, Lateinamerikanische Rhythmen und hier und da mit ein paar Synthies. 

Ich bin sehr gespannt, weil es auch mein erstes englischsprachiges Projekt ist. Ich fühle mich als Sängerin, jetzt wo ich so sehr weiß, wer ich bin und wie ich klinge, auch dazu bereit, das mal in einer anderen Sprache mal umzusetzen.

wmn: Was denkst du, wie deine Karriere verlaufen wäre, wenn du nicht auf deutsch gesungen hättest?

Annett: Annett Louisan, das steht ja für etwas, für deutschsprachige Chansons. Das ist glaube ich enorm wichtig gewesen das in meiner Muttersprache zu machen. Carla Bruni mit Französisch, Norah Jones auf Englisch, das ist musikalisch ähnlich dem, was ich mache, aber auf deutsch gab es das eben noch nicht. Das ist auch eine Lücke gewesen oder eine Nische, die ich da geschaffen habe und die mir eine große Chance verschafft hat. 

In meiner Muttersprache konnte ich wirklich besonders sein und etwas Eigenes machen. Das ist ein Privileg. Ich bin ein Glückskind, war ich immer.

Sängerin Annett Louisan singt auf der Bühne
Live spielen zu können ist für Annett immer das Wichtigste.(Photo: imago images / Scherf)

wmn: Dein erstes Album mit dem Song „Ich will doch nur spielen“ war zart, das Album mit dem Song „Belmondo“ kraftvoller und eine andere Richtung. Was waren die wichtigsten Treiber für solche musikalischen Veränderungen?

Annett: Das Allermeiste habe ich auf der Bühne gelernt: zu erzählen und zu wissen, was ich eigentlich wirklich will. Für jedes Lied und für jede Geschichte gibt es eine andere Musik, die muss man finden. Und man wird experimentierfreudiger. Ich will mich ja nicht wiederholen. 

Deshalb auch solche Projekte wie das Cover-Album. Es ist wichtig, dass man ab und zu mal ausprobiert und weggeht von dem, wo man sich so sicher fühlt. David Bowie hat mal gesagt “Eigentlich wird es da erst interessant, wo du ins Wasser gehst und gerade nicht mehr stehen kannst.”

Ich kann mit meiner Musik älter werden.

– Annet Louisan

Auch wenn alle Jugendlichkeit lieben – die Musik, die ich mache, ist zeitlos. Ich kann mit meiner Musik älter werden. Ich kann heute andere Lieder spielen und andere Geschichten erzählen als früher. Früher ging es darum: Wer ist der Letzte an der Bar, um Liebe und um Sex. 

Das kann ich heute auch, aber auf eine andere Art und Weise. Ich kann schwerere Themen nehmen, mir nimmt man das auch mehr ab. Den Respekt musste ich mir erarbeiten. Wie oft ich früher gehört habe “Das wird eh nur ein One-Hit-Wonder bleiben”. 

wmn: Wie gehst du mit solcher Kritik zu dir und deiner Musiker um?

Annett: Früher habe ich es mir reingezogen. Es ist echt gemein, dass Kritik immer so viel länger und intensiver im Kopf ist als das Lob. Aber ich musste mir ein dickeres Fell zulegen. Ich bin zum Beispiel einfach nicht der schlankeste Typ und ich habe immer so meine Phasen, das ist ganz normal. 

2007 hatte ich einen Bandscheibenvorfall, da lag ich zwei Monate im Krankenhaus und habe durch die Medikamente zugenommen. Im Herbst danach habe ich eine Tour gespielt und trotzdem Kleider getragen. Dann hat eine große deutsche Tageszeitung drei Tage lang so etwas geschrieben wie “Sie will doch nur mampfen”

Meine Musiker waren alle Männer und die wussten auch nicht, wie sie damit umgehen sollten. Das hat mir echt weh getan. Aber daraus habe ich so viel gelernt. Ich bin da so dran gewachsen, weil ich gedacht habe “Nee, ich lasse mich nicht von irgendwelchen Leuten verletzen und ich lasse mir auch nicht meine Tour verderben“. Ich bin abends auf die Bühne gegangen und habe das angesprochen. Die Tour war seitdem ausverkauft. 

– Annet Louisan

Ich bin nicht mit einem krassen Urvertrauen und Selbstbewusstsein auf die Welt gekommen. Aber Dinge zu überwinden, vor denen ich am meisten Angst habe, hat mich am stärksten wachsen lassen.

wmn: Wie schaffst du es, dass die Kommentare dir nicht mehr so nahe gehen?

Annett: Früher hat mich das so getroffen, wenn jemand gesagt hat “Die kann ja gar nicht singen, die hat so eine Piepsstimme” Jetzt denke ich „Ja gut, dann empfindet er das so“. Es gibt auch bestimmte Stimmen, die ich nicht so mag, die höre ich dann einfach nicht. Man darf es eben nicht persönlich nehmen

Das ist vielleicht auch die beste Art und Weise Liebeskummer zu überwinden: Einfach nicht persönlich nehmen. Wenn man sich sagt: Es wird schon einen Grund haben, warum wir nicht zusammen passen. Das ist natürlich wahnsinnig schwer, weil das eigene Ego immer beleidigt sein will. 

Wenn es um Kritik geht oder ich mit etwas kämpfe, dann probiere ich aus der Grübelsituation rauszugehen und meine Gedanken bewusst auszuwählen. Das ist nicht einfach, aber mit der Zeit gelingt es mir mehr und mehr.

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Anett hat das Albumcover von „Kitsch“ selbst geschossen.

wmn: Du schreibst an vielen Songs auch selbst mit. Woher ziehst du deine Inspiration?

Annett: Einfach aus dem Leben. Über all die Jahre – das ist ja mittlerweile mein achtes Studioalbum – da hält man einfach die Augen und Ohren offen. Wenn man eine schöne Geschichte hört, wenn man etwas beobachtet, dann wird man das immer festhalten, weil man weiß, vielleicht könnte es einem für irgendein Lied weiterhelfen. 

Auch Zeitungsartikel, Bücher, Romane und Filme sind inspirierend. Aber am allermeisten das, was man im Alltag beobachtet. Wenn ich gerade in einer Situation drinstecke, dann wird meistens in diesem Moment kein Song draus, erst viel später. Wenn man das ein bisschen von außen betrachten kann. 

wmn: Du bist ja 2017 Mutter geworden. Was hat sich seitdem verändert?

Annett: Es gibt nichts, was das Leben mehr verändert als eine Mutterschaft oder Vaterschaft. Das ist so einschneidend, das hätte ich vorher gar nicht gedacht. Das ist vielleicht auch besser so, dass man das nicht weiß vorher. 

Aber wenn man nicht an seinen eigenen Kindern wächst, dann weiß ich nicht woran. Emotionaler geht es nicht. Das ist verrückt. Alleine für mich als Frau die körperliche Veränderung, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, dann das Stillen, dann wieder die erste Abnabelung aus dieser kompletten Symbiose heraus. Das ist ein unfassbares Erlebnis. 

Ich will meine Tochter natürlich nicht zu lange alleine lassen und ich muss meine Reisen immer so einrichten, dass ich nach ein paar Tagen auch wieder Zuhause bin oder sie mitnehme.

In den ersten zwei Jahren herrschte totaler Ausnahmezustand. Mich interessieren mittlerweile auch andere Sachen. Ich bin wieder ein bisschen zu mir selbst zurückgekommen. Aber langsam merke ich, dass etwas von der alten Annett auch wieder zurückkommt. Ich bin dann auch mal froh, einen Tag nicht Zuhause zu sein. Irgendwo alleine zu sitzen, Cappuccino zu trinken und Zeit zu haben, auch das kann ich wieder genießen. Sogar mehr noch als früher.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=xtMwxiynXRs&w=560&h=315]

Mit Liedern wie „Belmondo“ zeigt die Sängerin eine kraftvollere Seite von sich.

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