Ab 1. Oktober kommt der neue Film “Die Misswahl” mit Keira Knightley in die Kinos. Wir haben ihn schon gesehen und verraten dir, ob sich der Kinobesuch lohnt.
“Die Misswahl” mit Keira Knightley: Darum geht’s
Die Misswahl meint die Miss World Wahl 1970, die für viele Schlagzeilen sorgte aus den unterschiedlichsten Gründen. Gerade wegen dieser Kontroversen eignet sich der Stoff perfekt für einen Film. Was ist damals passiert?
1970 wurde das erste Mal in der Geschichte der Miss World eine Schwarze Frau zur Siegerin gewählt, auch auf Platz zwei war eine Schwarze Frau. In einem Contest, in dem kaum Schwarze Misses überhaupt aufgenommen wurden, ein echter Fortschritt.
Gleichzeitig wurde das Finale der Miss World Wahl 1970 von einer Gruppe Feministinnen infiltriert, die sich gegen die sexistische Fleischbeschau aussprachen, die als Familienseundung beworben wurde. Sowohl diese beiden Konflikte zum Thema Rassismus und Feminismus sind gerade 2020 aktueller denn je. Die Misswahl hat also großes Potenzial.
Noch dazu glänzt der Film mit einer durchweg hochkarätigen Besetzung mit SchauspielerInnen wie
Keira Knightley (Fluch der Karibik),
Gugu Mbatha-Raw (Schöne und das Biest),
Greg Kinnear (Little Miss Sunshine),
Keeley Hawes (Bodyguard),
Rhys Ifans (Amazing Spider-Man),
Phyllis Logan (Downton Abbey),
Jessie Buckley (Taboo),
Lily Newmark (Sex Education),
Ruby Bental (Robin Hood),
Suki Waterhouse (Die Bestimmung) und
Clara Rosager (The Rain).
Sneak-Peak: Was kannst du von “Die Misswahl” erwarten? (SPOILER)
Wir durften schon in den Film schnuppern. Direkt am Anfang wird klar, dass er drei Hauptstränge verfolgt, die das Ereignis der Misswahl aus drei verschiedenen Sichten erzählt: Einmal aus der Sicht der Mutter und Geschichtsstudentin Sally (Keira Knightley), die sich der Frauenrechtsbewegung anschließen wird, dann den Produzenten Julia und Eric Morley sowie dem Komiker Bob Hope, der die Misswahl moderieren soll und aus Sicht der Missen insbesondere Miss Grenada Jennifer Hosten (Gugu Mbatha-Raw).
Ein guter Kniff, um die Geschichte möglichst komplex zu erzählen, denn eine Einordnung in Helden und Schurken ist bei einer Geschichte, die auf wahren Begebenheiten gründet, schwierig, wenn nicht sogar falsch. Zum anderen können so verschiedenste Thematiken aufgegriffen werden. Der Hauptfokus liegt allerdings ganz klar auf dem Sexismus der damaligen Zeit, weniger auf dem Rassismus.
Warum sollte eine Frau sich ihren Platz in der Welt verdienen müssen, weil sie besonders aussieht? Sie müssen es nicht, er muss es nicht. Warum müssen wir es?
Entsprechend wurde auch Feministin Sally zu Hautprotaginistin erkoren und nicht, wie es das Filmplakat vielleicht vermuten lässt, Miss Grenada Jennifer Hosten.
Frauen stehen auch hinter der Kamera
Der Film Die Misswahl (im Englischen weit treffender mit dem Titel “Misbehaviour”) wurde von einem starken Frauenteam auf die Beine gestellt. Das Drehbuch stammt von Gaby Chiappe und Rebecca Frayn, Regie führte Philippa Lowthorpe und das Produzentinnen-Duo bestand aus Suzanne Mackie und Sarah-Jane Wheale. Hier wollte man ein Statement setzen, ganz zum Ton des Films. Ist es gelungen?
Lohnt sich der Kinobesuch?
Obwohl er von vielen enttäuschten Fans als “langweilig” bezeichnet wird, hat mich der Film tatsächlich an den Bildschirm gefesselt. Schon aufgrund der glänzenden Leistung der SchauspielerInnen und besonders Jessie Buckley (Jo), die jetzt einen verliebten Fan mehr hat. Abgelenkt haben mich lediglich die offenen Fragen, die alle in meinem Kopf aufploppten und die ich natürlich sofort gegoogelt habe.
Denn: Die Thematik und die Hintergründe der Misswahl 1970 sind absolut spannend. Der Film hat sich hier, soweit ich das beurteilen kann, sehr genau an die Tatsachen gehalten, diese aber mit topaktuellen Themen verarbeitet. Fast kam es mir manchmal vor, dass sich gar nicht so viel geändert hat in den letzten 50 Jahren. Darf ich GNTM jetzt noch genießen als Unterhaltungsshow? Nach dem Film bin ich mir nicht mehr sicher.
Und das muss ich diesem Film zugutehalten: Er hat mich unglaublich neugierig gemacht. Ich habe die Kandidatinnen gegoogelt, die Misswahl, einfach alles. Er hat mich dazu gebracht, mich mit den Themen zu beschäftigen.
Offene Fragen und wo ist die Moral?
Und das ist sowohl die Stärke als auch der Schwachpunkt des Films, denn ich hätte mir gewünscht, dass einige Aspekte genauer beleuchtet werden: Etwa wie es zu dem schlussendlichen Wahlergebnis kam oder der politische Konflikt in Südafrika, der angeschnitten und nicht zu Ende erzählt wurde oder ob sich nach dieser Misswahl etwas geändert hat.
Besonders das Ende des Films hat mich verwundert, denn wo sonst überall locker flockiger Feminismus verbreitet wurde, hing auf einmal eine fast reuevolle Stimmung über den Ereignissen. Haben die Protagonistinnen ihre Taten bereut, wenn ja, warum? Und wie gehen sie damit um?
Weißer Feminismus
Auch eine wichtige, aber nur kurz angeschnittene Thematik wurde leider nicht ganz ausgeschöpft: weißer Feminismus. Denn was für Sally und ihre Mitstreiterinnen eine demütigende Fernsehshow ist, ist für die Schwarzen Miss Grenada Jennifer Hosten oder Miss Africa South Pearl Jansen eine echte Chance im Leben, die Minderheiten in dieser Zeit sonst nicht offen standen. Erst am Ende des Films wird das Thema kurz angeschnitten, aber leider nicht tiefgründig genug.
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Ich freue mich darauf deine Optionen im Leben zu haben
Überhaupt hat man über die beiden Schwarzen Missen in dem Contest recht wenig erfahren, obwohl hier doch so viel herauszuholen wäre. Und so ist am Ende des Films Miss Grenada die “Spaßbremse”, die den Feministinnen die Augen öffnen muss. Hier hätte es weitergehen müssen.
Denn Fakt ist nun einmal: Feminismus war nicht immer der Kampf aller Frauen gegen das Patriarchat und Sexismus. In Anfängen waren es vor allem weiße Frauen, die für mehr Rechte kämpften. Für mehr Rechte für weiße Frauen. So “in” Feminismus gerade auch ist, diese Tatsachen werden gern verdrängt.
Auch wurden einige weibliche Rollen zugunsten der feministischen Schwesterlichkeit etwas beschönigt wie etwa Miss Sweden, die im Film den gesamten Contest hinterfragt, während sie in Realität das Wahlergebnis öffentlich angezweifelte.
Fazit: Der Film regt zum Nachdenken an
Obwohl der Film definitiv zur Kategorie “Feeling Good” gehört, hat er doch dafür gesorgt, dass ich angefangen habe zu hinterfragen und recherchieren. Und kann das nicht auch ein Ziel der Regisseurin gewesen sein?
Klar, hätte ich mir hier und da eine tiefgreifendere Story gewünscht, aber ich habe vorher noch nicht über weißen Feminismus nachgedacht und ich bin froh darüber, dass er mich dazu angeregt hat.
Meine Empfehlung ist also trotz all der Kritik: Schaut ihn euch an! Wenn nicht im Kino, dann wartet auf den Streaminglink. Dieser wird Corona-bedingt sicher bald folgen oder bestellt euch die englischsprachige DVD, die ist nämlich schon draußen.
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