Wann immer eine Frau ihr Debüt auf den Literaturmarkt wirft, sollten wir hellhörig werden. Warum? Weil Männer jahrhundertelang die Literatur für sich beansprucht haben, bis heute den Literaturkanon beherrschen und vor allem sie es sind, die Buchpreise gewinnen und international lizenziert werden.
Dabei stehen weibliche Autorinnen ihren männlichen Kollegen in nichts nach – schon gar nicht in Sachen Humor, wie die junge Autorin Ilona Hartmann beweist, die letzte Woche ihr Debüt „Land in Sicht“ veröffentlichte.
Wir haben das Buch in einem Zug gelesen, schlank wie es ist, geht das rasch und verraten euch, was das Buch kann.
„Land in Sicht“: Ein Werk über Jugend & Vatersuche
Jana ist ohne ihren Vater aufgewachsen und vermisste ihn nie – jedenfalls bis sie in einer verqualmten Bar die Lebensgeschichte eines Fremden aufgedrückt bekam, der seinen Vater erst Jahre später kennenlernte und bei dem sich dadurch eine „Wunde geschlossen“ hat.
Mir tat nichts weh. Ich dachte nicht nach über meinen fehlenden Vater, ich vermisste nichts und schon gar nicht diese unkonkrete Person. […] Nach diesem Abend fielen sie mir plötzlich überall auf, die Väter … – Ilona Hartmann „Land in Sicht“
Nun lässt Jana der Gedanke an ihren eigenen Vater nicht mehr los. Bei der nächsten Gelegenheit sucht sie im Telefonbuch ihrer Mutter nach Hinweisen. Sie wird fündig und weiß schon bald, dass ihr Vater Milan auf der MS Mozart, einem wenig luxuriösen Kreuzfahrtdampfer als Kapitän arbeitet.
Kurzerhand besorgt sie sich selbst ein Ticket für die kommende Saison und begibt sich auf eine Reise, von der sie selbst nicht so genau weiß, wohin sie führt.
#Gefühl
Der Plot des Werkes: ein junges Mädchen auf Vatersuche. Auf den ersten Blick scheint das Thema wenig originell, wurde es in der Literatur und in Filmen schon zig Mal behandelt. Doch steckt man erst einmal mit der Nase im Buch und ist mit Jana auf dem Kreuzfahrtdampfer, lässt es einen nicht mehr los:
Egal, ob Vater oder kein Vater, jeder wird die Gefühle der Protagonistin nachvollziehen können, erst ihre Unsicherheit, später ihre Wut. Hier wird nicht versucht, etwas zu romantisieren. Ilona Hartmann beschreibt in „Land in Sicht“ eine Reise die frei ist von falschen Hoffnungen und die wehtut – manchmal auch vor Lachen.
#Humor
Apropos Lachen: Die Autorin Ilona Hartmann ist vor allem über die sozialen Netzwerke bekannt. Auf Twitter und Instagram versorgt sie ihre Follower regelmäßig mit ironischen Sprüchen. Im Interview mit uns verrät Ilona, dass ihr Buch zwar auch lustig sein soll, aber nicht ausschließlich.
Damit verspricht sie weder zu viel, noch zu wenig. Ihr Debüt lebt von Pointen und beiläufigen Witzen, vor allem aber von seiner Situationskomik, die wir nicht anders als mit dem Wort cringe beschreiben können.
Wie sonst sollen wir das Gefühl beschreiben, das aufkommt, wenn sich zwei Ü-50 Männer, einer im roten-, der andere im Glitzersakko, um die junge Passagierin Jana streiten. Wobei einer der beiden ihr Vater ist.
#Spannung
Es gibt nicht viele Bücher, die ich in einem Rutsch lese. Bei diesem Buch war es anders. Nun mag es daran liegen, dass „Land in Sicht“ sehr schmal ist, aber auch die Spannung trägt ihren Teil dazu bei.
Keine Spannung eines übersetzten Krimi Romans, eine andere Spannung. Hier möchte man nicht wissen, wer der Mörder ist, sondern emotional mitgenommen werden. So geht die Spannung auch dann nicht verloren, wenn Jana endlich das „Ich bin deine Tochter. Übrigens“ rausrutscht. Ganz im Gegenteil möchte man nun erst Recht erfahren, wie es weitergeht.
#Erzählgeschick
Trockene Dialoge, bedeutungsschwangere Rückblicke in die eigene Kindheit: Eine Mischung, die nicht verhindert, dass die Geschichte an der Oberfläche bleibt. Zwar zeigen die wenigen Tauchgänge der Protagonistin mehr, aber nie genug. Doch was können wir mehr erwarten von einer Hauptfigur, die so sehr schwankt, dass sie ihr Leben an einer Stelle wie folgt resümiert: „Ich hätte einfach mehr saufen sollen.“
„Land in Sicht“ passt genau in das Hier & Jetzt
„Land in Sicht“ nimmt sich wenig Zeit, ein zerreißendes Thema zu behandeln und schafft es doch, zu berühren und zu unterhalten. Und das muss man dem Buch lassen, zwar spart es an psychologischem Tiefgang und einer Aufarbeitung der Protagonistin, doch genau deswegen trifft es uns mitten ins Herz:
Das Debüt von Ilona Hartmann ist ehrlich und erschreckend nah an der Wirklichkeit, in der die tiefere Aufarbeitung der Dinge mindestens genauso oft ausbleibt. „Land in Sicht“ passt ins Hier & Jetzt, als Gefühl einer Generation.
„Land in Sicht“ wird verlegt durch den Aufbau Verlag und ist seit dem 21.07.2020 erhältlich. Preis: 18 € (Mit wenigen Klicks auch hier auf Amazon erhältlich ?.
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