Zu oft wurden wir schon enttäuscht: Immer wieder entscheiden sich überragende Serien dazu, ihre Story in etlichen Staffeln weiterzuerzählen. Jeder Tropfen an Potenzial soll ausgequetscht werden. Jeder nur mögliche Cent eingenommen werden.
Am Ende der ersten Staffel von The End oft he F***ing World wünscht sich etwas in uns, dass es das einfach war. Das kann und soll nicht übertroffen werden. Dennoch hieß es bald darauf auf Twitter: „We’ll be f***ing back!“. Wir haben die zweite Staffel von The End of the F***ing World gesehen und verraten dir, ob uns auch diese Serienfortsetzung enttäuscht hat:
Rückblick Staffel 1: Mit einer gesunden Prise Hass durch Südengland
Wie alle 17-Jährigen ist James (Alex Lawther) dabei, sich selbst zu finden. Aber James ist anders: Denn er findet heraus, dass er gerne mal jemanden töten würde. Wie passend, dass der mit psychopathischen Zügen ausgestattete James auf die trotzige Alyssa (Jessica Barden) trifft, die so wirkt, als hätte sie bereits mit dem Leben abgeschlossen und somit für James ein passendes erstes Opfer abgibt.
Spoiler ahead: Beide begeben sich auf einen gemeinsamen Roadtrip und James kann tatsächlich seinen ersten Mord begehen – allerdings nicht an Alyssa:
Nach einem Einbruch werden die beiden vom Hausbesitzer – Professor Clive Koch – überrascht, der schnell als lüsterner Frauenmörder entlarvt wird. Alyssa in seinem Bett vorzufinden, erscheint ihm als willkommene Einladung, sie zu vergewaltigen.
James rettet Alyssa mit seinem Jagdmesser, welches er Clive in den Hals rammt. Es folgt eine blutige Szene, die selbst Tarantino überzeugen dürfte und James merken lässt, dass Menschen töten doch nicht so sein Ding ist. Vor allem nicht Alyssa – denn für die empfindet er inzwischen etwas.
Die erste Staffel endet mit einer tragischen Liebesgeschichte. Der Bildschirm wird schwarz. Wir hören einen Schuss, der auf den am Strand fliehenden James abgegeben wird. Der gleichnamige Comic von Charles S. Forsman, auf dem die Serie beruht, endet an dieser Stelle.
Staffel 2: Abgefuckt und traumatisiert durch Südengland
In der zweiten Staffel konnte die Drehbuchautorin Charlie Covell die Story demnach völlig frei entwickeln. Die trockene, abgeschmackte Erzählart bleibt allerdings gleich: Auch in der zweiten Staffel werden wir in den acht Folgen mit einem derart kompromisslosen Blick auf die Welt konfrontiert, der erschüttert und im selben Zug urkomisch ist.
Covell beweist gleich zu Beginn ihr dramaturgisches Geschick. Anstatt die Frage aller Fragen aufzudecken – ist James nun tot? – präsentiert sie mit Bonnie (Naomie Ackie) eine neue vielschichtige Figur.
Spoiler ahead: Diese entpuppt sich schon bald als manische und von Rache getriebene Exfreundin des Professors Clive Koch, den James und Alyssa in Notwehr getötet haben. Mit einem Foto von Alyssa und einem Revolver bewaffnet, begibt sie sich auf die Jagd. Hier wird uns erneut ein überragender Serienauftakt geboten, der dazu einlädt, auch die zweite Staffel von The End of the F***ing World in einem Zug durchzubingen.
Bonnies Persönlichkeit ist clever gezeichnet und symptomatisch für die gesamte zweite Staffel: Auch sie ist stark traumatisiert von ihrer Vergangenheit. Als Kind wurde sie misshandelt, als Teenager unterdrückt und als Erwachsene geriet sie in die emotionale Abhängigkeit zu ihrem zweifelhaften Professor.
Alyssa ahnt nichts von ihrem Glück, erneut als Zielscheibe zu dienen. Vielmehr hat sie selbst mit sich zu kämpfen. Kurz aufblitzende traumatische Flashbacks zeigen uns Zuschauern, wie es um Alyssa steht. Nach außen trägt sie weiter ihre Alles-Egal-Einstellung und reiht ein Schimpfwort an das nächste.
Eine derart abgeklärte Figur ist erfrischend. Vor allem, wenn von ihr in der zweiten Staffel große Fragen wie die Notwendigkeit des Heiratens oder kleine Fragen wie nach der Notwendigkeit des Manspreading (= Männer, die in öffentlichen Verkehrsmitteln breitbeinig sitzen) thematisiert werden.
Die Serie bringt schlagfertige Dialoge hervor und verschafft den Figuren in extrem kurzer Zeit, extrem viel Tiefe. Wie das geht? Unter anderem, weil nicht nur das direkte Wort zählt. Mit Hilfe von Voice Over Stimmen der Figuren hören wir zum Teil auch, was sie denken. Vor allem Alyssa lässt so auch in der zweiten Staffel extrem komische Momente entstehen.
Was ist denn nun mit James?
Wer nun wissen möchte, was mit James passiert ist, der sollte unbedingt die zweite Staffel von The End of the F***ing World ansehen. So viel sei verraten: Eine dritte Staffel wird es nicht geben, die zweite Staffel ist der letzte gute Tropfen und verdient jeden einzelnen Cent.