Sicherlich hast auch du mitbekommen, dass die Stars und Sternchen auf den roten Teppichen momentan viel Haut zeigen. Von Naked Dresses bis hin zu transparenten Tops ist alles dabei. Wer jetzt allerdings denkt, dass es hier nur um die Zuschaustellung des Körpers auf eine erotische Art und Weise geht, liegt ziemlich daneben. Denn die Female Gaze-Fashion-Ära möchte mit diesen Kleidungsstücken in erster Linie eines: eine feministische Revolution der Mode starten. Wir erklären dir, was es mit dem Female Gaze in der Fashion-Branche auf sich hat.
Naked Dress und Co.: Diese Looks polarisieren die Mode-Welt
Egal, ob es die MET Gala ist, das Cannes Filmfestival oder die Afterpartys der Oscars: Überall, wo man hinblickt, sieht man die transparenten Hingucker-Looks der Stars und Sternchen. Mit Naked Dresses feierten Modedesigner:innen nach der Pandemie ihr Comeback und die Frauen dieser Welt sind begeistert. Warum sollten sie ihren Körper verstecken, wenn man diesen dank der transparenten Stoffe noch viel schöner in Szene setzen kann? Man denke nur an den geschichtsträchtigen Auftritt von Florence Pugh während der Fashion Week in Rom, zu welcher sie in einem pinkfarbenen, durchsichtigen Valentino-Kleid aufkreuzte.
Doch nicht allen Menschen gefällt der Trend rund um die transparenten Stoffe. In den sozialen Medien gab es vor allem für Florence Pugh sexistische Kommentare, die alles andere als angebracht waren. Der Hauptgrund: Ihre Brüste seien zu flach für ein solches Outfit und wirkten dadurch nicht sexy.
Das ließ sich die erfolgreiche Schauspielerin aber nicht gefallen und adressiert ihre Hater auf Instagram öffentlich: „Es ist interessant zu sehen, wie einfach es für Männer ist, einen Frauenkörper stolz und öffentlich zu zerstören. […] Es ist nicht das erste Mal und auch definitiv nicht das letzte Mal, dass eine Frau sich von einer Gruppe von Fremden anhören muss, was mit ihrem Körper falsch ist. […] Ich habe schon lange in meinem Körper gelebt. Ich weiß, wie groß meine Brüste sind und ich habe keine Angst davor. Aber warum habt ihr solche Angst vor Brüsten? […] Werdet erwachsen. Respektiert Menschen. Respektiert Körper. Respektiert alle Frauen.“
Male Gaze vs. Female Gaze – auch in der Mode
Wenn du dich jetzt – zurecht – fragst, wie es überhaupt zu solch einer Kritik an dieser wunderschönen Frau und ihrem tollen Look kommen kann, haben wir nur ein Stichwort für dich: Male Gaze. Denn diese Kritiken sind der Inbegriff von diesem Konstrukt, wie auch das Lifestyle-Magazin Glamour berichtet.
Der Begriff an sich stammt aus der Filmkritik und wird vor allem verwendet, um zu erklären, wie stereotypisiert Frauen in Filmen und Büchern noch immer porträtiert werden – eben unter dem Blickpunkt eines Mannes und so, wie Männer Frauen gerne sehen würden. Die Frauen in diesen Filmen sollen am besten stumm sein und nur hübsch aussehen. Und genauso lässt sich der Male Gaze auch auf die Mode applizieren.
In diesem Zusammenhang denken Männer, dass transparente und eng anliegende Kleidung vor allem zu ihrem persönlichen Vergnügen da ist. Gefällt ihnen etwas nicht, wird das kommentiert, denn die Frauen haben sich schließlich persönlich für die Männerwelt so „aufreizend“ angezogen. Allerdings wurden die Looks von Größen wie Olivia Wilde oder Emily Ratajkowski von Frauen entworfen – und sind damit so viel mehr als Naked Dresses.
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Female Gaze-Fashion-Ära: Wo sich Frauen nichts mehr zu ihrem Äußeren sagen lassen
Das Gegenstück zum Male Gaze ist der Female Gaze. Im Film würde dies bedeuten, dass Darsteller:innen mit all ihren Facetten und eigenständigen Persönlichkeitsmerkmalen beschrieben werden. Die Aufgabe dieser Frauen ist es nicht, das männliche Begehren auszulösen – hier wird die Individualität und die Gesamtheit des weiblichen Geschlechtes dargestellt.
Und auch hier lässt sich der Female Gaze wieder auf die Mode applizieren – und trifft damit genau das, was momentan in der Mode-Industrie passiert. Trotz Sexualisierungen lassen sich die weiblichen Stars und Sternchen nicht nehmen, sich so zu kleiden, wie sie wollen – ohne den Hintergedanken, einen Mann damit zu verführen oder gar zu gefallen. Frauen und auch Designer:innen definieren Mode in diesem neuen Zeitalter ausschließlich für sich selbst und entscheiden allein, was sie attraktiv und sexy finden. Eine männliche Meinung dazu? Ungewünscht und auch nicht angebracht.
Für eine erfolgreiche Fashion-Revolution muss sich aber eines in der Modewelt noch gründlich ändern: der Anteil weiblicher Designer:innen. Denn auch, wenn die Fashion-Industrie eine typisch weiblich-konnotierte ist, wird diese meistens noch von Männern gelenkt. Allerdings gibt es Labels wie Poster Girl, die von Frauen geführt werden und Vorreiterinnen der Female Gaze-Fashion-Revolution sind. Die CEOs Francesca Capper und Natasha Somerville beschreiben ihre Herbst/Winter-Kollektion als „luxury hoe“ und zeigen damit, dass weibliche Modehäuser für Frauen abwertende Begriffe einfach umdeuten können – und sollten.
Female Gaze: Re-Claiming of Sexy
Wie man sieht, liegt das Problem nicht an den transparenten Kleidern, die die Frauen, die sie tragen, wunderschön aussehen lassen, sondern an den Männern und deren Interpretation des Looks. Denn nur, weil eine Frau sich in durchsichtiger Kleidung zeigt oder auch in Unterwäsche präsentiert, ist das für die männliche Bevölkerung kein Freifahrtschein, um sexistisch oder gar sexuell übergriffig zu werden. Gemäß dem Hashtag #mybodymychoice (zu Deutsch: Mein Körper, meine Entscheidung) machen sich Frauen im Internet dafür stark, dass sie tragen können, was sie wollen. Hauptsache, wir fühlen uns wohl und lassen uns von niemand anderem sagen, was an uns vielleicht attraktiv aussehen könnte.