Liebeskummer ist eine starke, emotionale Reaktion auf eine verlorene Liebe oder eine andere Form emotionaler Zurückweisung. In unserer Gesellschaft verstehen wir extremen Liebeskummer als schmerzhaften, aber auch normalen Teil des Lebens. Der erste Liebeskummer findet bei den meisten Menschen zwischen später Kindheit und frühem Erwachsenenalter statt und wird als besonders schmerzhaft und dramatisch empfunden.
Liebeskummer und was er mit uns macht
Liebeskummer als Krankheit
Im Englischen bezeichnet man Liebeskummer als „Lovesickneess“ und trägt damit die Krankheit sogar schon im Namen. Kann es sein, dass Liebeskummer viel weniger harmlos ist, als allgemein angenommen? Sollten wir damit anfangen Liebeskummer, als potenziell psychische Erkrankung zu betrachten?
Besonders bei jungen Menschen scheint Liebeskummer durchaus ein großer Risikofaktor für schwere psychische Probleme zu sein. Symptome wie lähmende Traurigkeit, Hilflosigkeit, Antriebslosigkeit und Leere sind neben körperlichen Symptomen wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit oder Schlaflosigkeit sehr ähnlich zu Symptomen von Depressionen. In einer Studie aus dem Jahr 2014 gaben 20 Prozent der Studierenden, die versuchten, sich das Leben zu nehmen, Beziehungsprobleme als Anlass dafür an.
Liebe macht süchtig – genauso wie kiffen
In einem Artikel zu Lovesickness sagt Henrik Walter, stellvertretender ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité in Berlin, dass wir „kulturell bedingt dazu neigen, die psychischen Auswirkungen von Liebeskummer gerade bei jungen Menschen zu unterschätzen.“
Er vergleicht extremen Liebeskummer mit Kiffen: „Es betrifft ganz viele, und bei den allermeisten geht es gut, aber gerade bei Jugendlichen geht es eben manchmal nicht gut. Liebeskummer ist ein starker Risikofaktor für Suizidalität. Es braucht in dieser Richtung mehr Forschung, genauso wie ein Ernstnehmen der psychologischen und neurobiologischen Prozesse.“
Aus biologischer Sicht ist Liebeskummer ein Zustand, in dem das hochenergetische Glückshormon Dopamin sowie das Kuschelhormon Oxytocin absinkt. In amerikanischen Forschungskreisen wurde nachgewiesen, dass laut Hirnscans, der menschliche Körper auf Liebeskummer ähnlich reagiert, wie auf starke körperliche Schmerzen.
Die Symptome der Liebe und des Kiffens
Liebe macht uns süchtig. In einer Studie der University of Science and Technology in China wird die romantische Liebe als eine natürliche (und oft positive) Sucht bezeichnet, die sich vor 4 Millionen Jahren bei Säugetieren als Überlebensmechanismus entwickelt hat, um die Paarbildung und Fortpflanzung der Homininen zu fördern, was heute kulturübergreifend beim Homo sapiens zu beobachten ist.
Darum treten bei Liebeskummer die gleichen Symptome auf wie bei Drogensüchtigen, die einen Entzug erleben. Es werden weniger Glückshormone ausgeschüttet, die Konzentration von Serotonin, Dopamin und Phenylethylamin im Blut sinkt. Gleichzeitig steigt die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol.
Das Gehirn von jungen Erwachsenen ist noch nicht komplett entwickelt
Besonders Teenager und junge Erwachsene empfinden Emotionen besonders deutlich, da Umwelteinflüsse stärker prägend sind. Das liegt daran, dass kontrollierende Strukturen im Gehirn noch nicht so weit entwickelt sind. Der präfrontale Cortex, der sich an er Stirnseite des Gehirns befindet und unser Verhalten steuert, ist oft erst mit über 20 Jahren komplett entwickelt. Die gute Nachricht ist also, Liebeskummer wird aus rein medizinischer Sicht mit dem Alter besser.
Doch was macht man, wenn man diesen alles auffressenden Liebeskummer in sich spürt und nicht weiß, wohin mit seinem Leid. Kann ich mit Liebeskummer zum Arzt oder zur Ärztin gehen?
Liebeskummer therapieren?
Henrik Walter sieht darin eine wichtige Frage, die die Diskussion anheizt, ob man Liebeskummer nicht doch auch als „andauernde Liebeskummerstörung“ eigenständig diagnostizierbar machen sollte. „Natürlich muss nicht jeder Mensch mit Liebeskummer zum Therapeuten rennen“, sagt Walter in einem Gespräch mit der SZ. Aber gerade, weil so viele Menschen von extremem Liebeskummer betroffen sind, sollte man den schweren Fällen die Option für eine Therapie bewusst und möglich machen.
Wann ist extremer Liebeskummer nicht mehr normal?
Die meisten Menschen haben auf die eine oder andere Art schon einmal Liebeskummer erfahren. Doch wann ist es nicht mehr „normal“? Vor allem bei seelischen Leiden ist es oft sehr schwierig, eine Linie zwischen gesund und krank zu ziehen. Henrik Walter sieht in Liebeskummer als Paradebeispiel dafür, „dass die kategorische Trennung von normalen Lebensproblemen und psychischen Störungen die Realität nicht abbildet. Es braucht neue, eher dimensionale als kategoriale Modelle.“
Also, wenn es dir so richtig schlecht geht und du das Gefühl hast, dass du damit alleine nicht klarkommst, ist es vollkommen vertretbar sich Hilfe zu holen. Egal, ob du depressiv bist, eine Angststörung hast, oder eben extremen Liebeskummer – Alle Emotionen haben ihre Daseinsberechtigung.