Eine wichtige Frage für jede Frau, die gerne im Wald spazieren oder Naturparks wandern geht: Würdest du lieber mit einem fremden Mann, oder mit einem Bären im Wald zurückgelassen werden? Diese Frage sorgt auf Social Media seit Tagen für Diskussionen. Was dahinter steckt, erfährst du hier.
Trigger Warnung: In diesem Artikel werden Themen wie sexueller Missbrauch, Vergewaltigung und sexuelle Belästigungen besprochen.
Mann oder Bär? Auf wen würde ich als Frau im Wald treffen wollen?
Diese „Mann oder Bär?“-Frage, die das Magazin ScreenshotHQ Anfang April gestellt hat, ging schon einige Zeit auf Social Media rum. Das Video löste aber eine wilde Diskussion und Streit unter Frauen und Männern im englischsprachigen Raum aus. In den USA gibt es über 60 Naturparks. Insgesamt leben dort über eine halbe Million Bären in den Wäldern. Die Chance, einem Bären in so einem Park über den Weg zu laufen, ist also groß. Laut „Bearvault.com“ kam es seit 1784 aber nur zu 66 tödlichen Mensch-Bären-Konflikten in Nordamerika. In Deutschland kennen wir diese Problematik nicht.
Doch welcher normale Mensch, ob nun Trans-Frau, non-binär, queer oder heterosexuell, würde sich dennoch wünschen, ein wildes Tier wie einen Bären mit riesigen Pranken und Zähnen im Wald zu treffen? Im schlimmsten Fall fühlt sich das Tier von dir bedroht und könnte dich sofort töten. Es ist ein Szenario, das sich alle Geschlechter nicht vorstellen möchten. Da sind wir uns alle einig.
Cholera oder Pest? Wie entscheidest du dich?
Viele erkennen aber nicht, wie verzwickt diese spezielle Frage für Frauen, nicht-binäre Personen oder Trans-Frauen ist. Denn viel wahrscheinlicher ist doch die Situation, dass man auf einen fremden Mann im Wald trifft. Wenn wir schon auf unserem Nach-Hause-Weg, oder auf dem Weg zur Bahn, auf dem Parkplatz zu unserem Auto nachts Angst haben, dass ein Fremder uns angreifen könnte. Welcher Mensch möchte dann in einem verlassenen, dunklen Wald, wo niemand ihre Hilferufe hören würde, auf einen ihr völlig fremden Menschen treffen?
Diese Straßen-Umfragen und auch private Aufnahmen von Nutzer:innen zeigen uns: viele Frauen denken nicht lange nach und sagen, sie würden alleine lieber einem Bären über den Weg laufen. Sie würden sich, in ihren Augen, für das kleinere Übel entscheiden.
Mann oder Bär? So reagieren die Frauen auf Social Media
Die Videos, in denen Frauen über die Problematik reden, gehen viral, werden millionenfach geschaut und kommentiert. Viele der Kommentare in den Videos sind von Frauen. Sie schreiben teils erschreckende Dinge auf:
- Wenn mich ein Bär angreift, würde er mich vielleicht ’nur‘ töten. Der Bär würde es im Vergleich zum Mann „schnell“ machen.
- Ein Bär sieht in mir eine Bedrohung, ein Mann sieht eine Gelegenheit.
- Wenn mich ein Bär angreift, würde man mir Mitgefühl zeigen. Man würde den Bären wahrscheinlich erschießen.
- Wenn mich ein Mann angreift, würden viele Leute mir die Schuld geben.
- Wenn mich ein Bär angreifen würde, würde man mir glauben. Man würde mich nach einem Angriff nicht fragen, welche Kleidung ich dabei anhatte.
- Du kannst eher einem Bären sagen, dass er gehen soll. Wenn du das einem Mann sagst, fühlt er sich in seiner Ehre verletzt, beleidigt und belästigt dich.
- Männer weigern sich, unseren gelebten Erfahrungen zu glauben.
Auf TikTok werden zeitgleich solche Videos gepostet: Wo eine Frau aus Russland sich mit einem Bär kuschelnd präsentiert und ihre Antwort deutlich macht.
Man kann auch mit Bären verhandeln. Ein Video zeigt ein Tier, das auf eine Veranda kommt und mit dem simplen Satz „Nein“ weggescheucht werden kann.
Zahlen: Übergriffe auf Frauen
Wieso entscheiden sich Frauen also für den Bären? Das Bundeskriminalamt (BKA) in Deutschland sammelt seit 2015 Informationen über Gewalt in Beziehungen. Es untersucht Fälle von Mord, Totschlag und schweren Verletzungen, die durch Gewalt in der Partnerschaft verursacht wurden. Die meisten Opfer dieser Gewalt sind Frauen. Man redet dann von einem Femizid. Im Jahr 2021 starben 113 Frauen und 14 Männer aufgrund von Gewalt in ihren Beziehungen. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 146.655 Fälle von körperlicher und psychischer Gewalt in bestehenden oder früheren Partnerschaften gemeldet.
Im Jahr 2022 wurden dem BKA über 10.000 Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sexuelle Übergriffe in Deutschland gemeldet.
Wie würden Männer reagieren?
Auch Männern wird auf TikTok die „Mann oder Bär“-Frage gestellt, mit einem Twist: Frauen wollen von ihren Partnern wissen, ob sie ihre Töchter eher mit einem Bären oder einem Mann in einem ablegenden Wald zurücklassen würden. Die Männer werden still, denken lange nach und erkennen, dass diese Frage nicht so einfach zu beantworten ist. Kann man Fremden heutzutage überhaupt noch vertrauen? Was, wenn es ein freundlicher Bär ist? Vor einem freundlichen Mann sollte man sich erst recht fürchten, antwortet ein Mann.
Ein freundlicher Bär oder ein freundlicher Fremder?
Dustin Poynter ist ein Content Creator, der sogenannte „Red Flag“-Verhalten von Männern analysiert und offenlegt. Auch er hat eine Meinung zu dem „Mann oder Bär“-Trend.
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Es gibt auch gute Männer!
Viele Frauen schreiben auf Social Media aber auch, dass natürlich nicht alle Männer gefährlich seien. Sie sagen auch nicht alle, dass sie den Bären wählen würden. Etliche Männer scheinen sich von solchen Bär-Kommentaren dennoch teils persönlich angegriffen zu fühlen.
Ja, es ist nachzuvollziehen, dass viele nette Männer, nicht mit Männern, die Frauen angreifen oder belästigen, denselben Stempel „gefährlich“ aufgedrückt bekommen wollen. Die Diskussion zeigt aber noch ein ganz anderes Problem: Das Verständnis für dein Gegenüber in unserer Gesellschaft stumpft.
Reaktionen von Männern im Netz
wmn hat zu dem Thema ein Reel auf Instagram gepostet. Was sehen wir: Frauen werden in den Kommentaren belächelt, beleidigt und nicht ernst genommen. Viele Kommentare von Männern handeln davon, dass viele Männer zu Unrecht vorverurteilt werden und beschimpfen Frauen für ihre Bär-Antwort als extreme Feministinnen. Wenn Frauen lieber einem Bären im Wald begegnen würden, ist die Schlussfolgerung eines Mannes auf Instagram: „Deswegen würde ich keine Zivilcourage mehr zeigen, bei Frauen.“
Eine Instagramseite kommentiert: „Was fürs bescheuerter Vergleich! Wurde hier nur die untervögelte Woke Bubble gefragt oder wurden auch echte Frauen gefragt?“
Ein Mann schrieb zu unserem Video: „Da wurden keine Frauen gefragt, spmderm exteme Feministinnen, um einen negativ viral Video zu bekommen„, und weiter: „Keine normalen Frauen sind Femextrem.“
Ein Nutzer schrieb: „Gefühle Angst vs. reale Gefahr. Wenn man den Frauen Videos zeigen würde wie ein Bär einen Menschen umbringt und frisst, wird der rosa Zauberwald vermutlich bröckeln, aber hey die bösen Männer sind es.“
Was lernen wir aus der „Mann oder Bär?“-Diskussion?
Wir fassen zusammen: Es gibt keine Gewinner bei dieser Frage. Sie ist auch hypothetisch und Frauen haben ehrlich geantwortet. Sie haben sich nicht aus purem Männerhass für den Bären entschieden, sondern sprechen aus Erfahrung und aus Angst vor Männern. Die vielen Diskussionen und Kommentare auf TikTok zeigt, dass diese Frauen schon schlechte Erfahrungen gemacht haben müssen, wenn sie sagen, dass sie das Risiko eines Bärenangriffs geringer einschätzen als die Gefahr durch einen fremden Mann belästigt zu werden.
Einige Kommentare deuten auch an, dass man als Frau im Falle eines Übergriffs durch einen Mann oft um Glaubwürdigkeit und Mitgefühl kämpfen müsste. Diskussionen, die man, wenn man einen Bärenangriff überlebt, nicht führen müsste. Niemand will hier sagen: Alle Männer sind böse und schlimmer als ein wilder Bär.
Aber warum fühlen sich manche Männer so angegriffen, wenn Frauen von ihren schlechten Erfahrungen berichten?
Laut einer Studie der FRA hat aber bereits eine von zehn Frauen in der EU seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form der sexuellen Gewalt erfahren, und eine von 20 Frauen wurde vergewaltigt. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher, da viele Fälle nicht angezeigt werden. Wer kann diesen Frauen also verübeln, dass sie einen wilden Bären nach solchen Erfahrungen als weniger gefährlich einschätzen?
Suchst du als Frau Hilfe?
Gewalt gegen Frauen – bundesweites Hilfetelefon
Die Nummer lautet 0800- 01 16 016 und ist 24 Stunden am Tag besetzt.
Quellen: TikTok, bearvault.com/bear-attack-statistics, fr.europa.eu, BKA Statistik
Hinweis: Schreib- und Grammatikfehler von Kommentatoren unter unserem Instagram-Video haben wir hier im Text nicht korrigiert.
Original-Artikel 29. April, Update: 6. Mai