Hast du schon einmal eine Socke auf dem Esstisch gefunden? Ich schon. Ob sie getragen war? Ich denke wohl. Ich liebe meinen Freund, aber er ist der unordentlichste Mensch der Welt. Über die Jahre konnte ich eine Strategie entwickeln, damit umzugehen. Darum soll es in der heutigen Kolumne REALationshipTalk gehen.
Ein kleiner Disclaimer: Für die Lesbarkeit schreibe ich aus meiner (weiblichen) Sicht auf meine heterosexuelle Beziehung. Es sind selbstverständlich alle Geschlechter und Beziehungskonzepte eingeladen, sich ebenfalls angesprochen zu fühlen.
Männer sind chaotisch und Frauen räumen ständig auf – Hä?
Ich hasse es, ein Stereotyp zu sein. In Sachen Ordnungsliebe erfüllen mein Freund und ich aber leider genau diese Mario Barth-Vorstellung von Beziehungen, die die Menschen meiner Generation zurecht so sehr hassen. „Wissta wo meene Freundin die Fernbedienung hinpackt?! Aufn Feeernseeeehr.“ Haha. Gut, in Anbetracht des Flatscreens liegt meine Fernbedienung zwar nicht auf dem Fernseher, wohl aber in dem Board, auf dem er steht.
Beruhigenderweise bin ich die einzige Frau in meinem Freundeskreis, die dieses unsägliche Geschlechter-Klischee erfüllt. Tatsächlich kenne ich mehr Frauen, die von sich sagen, unordentlicher als ihr Partner zu sein, als umgekehrt. Eine Freundin bezeichnet sich selbst als „der Dreckspatz in der Beziehung“. Genau wie mein Freund erkennt sie oft gar nicht, dass etwas geputzt werden sollte.
Am Geschlecht liegt es also nicht, sondern einfach nur am Charakter. Es gibt eben ordentliche und unordentliche Menschen. Nur scheinen sich vermehrt Paare zu bilden, bei denen beide dem jeweils anderen Team angehören. Ist das Zufall oder reiner Pragmatismus?
Die 60er-Jahre Hausfrau in mir …
Vielleicht gehört das in die Rubrik „Gegensätze ziehen sich an“ – oder aber die unordentlichen Menschen haben eine Strategie entwickelt, sich die Putzhilfe sparen zu können. Denn wer mit jemandem wie mir zusammenlebt, der bleibt quasi immer im Hotel Mama. Ich weiß nicht, was Freud zu diesem Vergleich sagen würde, aber ich fürchte nichts Gutes.
So räume ich also seit mehr als sieben Jahren Socken vom Esstisch, Fernbedienungen vom Sofa, diverse Espressotassen vom Balkon und leere den Aschenbecher, den ich als Nichtraucherin nicht benutze. Eine Zeit lang habe ich mich darüber geärgert. „Ich bin doch nicht seine verdammte Putzfrau“, habe ich in einem Anflug von gewolltem Feminismus geschimpft. Das Problem ist: Eigentlich stört es mich gar nicht, ständig aufräumen zu müssen. Im Gegenteil: Ich liebe es sogar.
Das ist auch der Grund, warum wir keine Putzhilfe haben. Als ich nämlich meinen Freund auf die ungleiche Arbeitsverteilung im Haushalt ansprach, erwiderte der, dass er absolut bereit sei, seinen Anteil von einer bezahlten Putzhilfe übernehmen zu lassen. Damit hat er mir den Wind aus den Segeln genommen. Womit sollte ich dann noch prokrastinieren, wenn ich eigentlich an meiner Masterarbeit sitzen sollte? Wobei stundenlang Podcasts hören? Es gibt Tage, da wache ich auf und denke „Geil, heute putze ich das Bad.“ Aufräumen ist mein Wellness!
Wenn ordnungsliebende Menschen unordentliche Menschen lieben
Einmal hat mein Freund auf die Frage, was er an mir liebt, geantwortet, dass ich Ordnung in sein Leben bringe. Das war natürlich nur auf der ersten Ebene auf herumliegende Socken bezogen (hoffe ich zumindest). Chaotische und ordnungsliebende Menschen sind sehr unterschiedliche Charaktere. Das zieht sich durch das ganze Leben. Die einen fliegen hoch, genießen den Moment, denken nicht an morgen. Und die Ordnungsmacher halten das Gerüst zusammen und fangen den Chaoten auf, wenn er sich zu weit aus dem Fenster lehnt. Ich glaube, genau deshalb finden so viele ungleiche Paare zueinander.
Und dann gibt es natürlich auch noch das, was neben dem Ordnung-Halten zum Alltag gehört. Immerhin kutschiert mich mein Freund regelmäßig durch die Stadt, streicht mit mir zum hundertsten Mal das Wohnzimmer, schleppt kiloweise Katzenstreu die Treppe hoch und baut extrem schiefe Bücherregale für mich. So findet jedes Paar seine eigene Balance. Ohne seine chaotische, spontane, lebensfreudige Art wäre mein Leben vielleicht blitzblank und perfekt organisiert – aber auch echt langweilig. Deshalb bin ich sogar froh, mit einem unordentlichen Menschen zusammen zu sein. Weil er mich manchmal daran erinnern muss, auch mal im Hier und Jetzt zu leben und dass eben nicht immer alles „perfekt“ sein muss.
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