Unsere Welt ist schnelllebig und oft sind es auch unsere Beziehungen. Ob Freundschaften oder die Liebe: Vieles fließt einfach dahin, ist heute noch da und morgen schon wieder fort. Aber auch in langjährigen Beziehungen kann sich dieses Gefühl der Flüchtigkeit einstellen. Dann nämlich, wenn man nur noch nebeneinander herlebt. Die Gefühle verlieren an Greifbarkeit und irgendwann fragt man sich: „Geht es hier überhaupt noch um uns?“
Das Problem ist, dass viele Paare aufhören, miteinander zu reden. Und damit meine ich nicht die Frage, wer den Müll runterbringt oder auf welchen Film man sich einigen will. Was oft fehlt, sind echte Gespräche; solche, die nicht nebenbei passieren und Belanglosigkeiten klären, sondern die, für die man sich gezielt Zeit nimmt und in die Tiefe geht. Man nennt diese Art des Gesprächs „Deep Talk„.
Deep Talk in der Beziehung: Wer bist du überhaupt?
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich erfahre nach über sechs Jahren Beziehung immer noch andauernd Dinge aus dem Leben meines Freundes, von denen ich keine Ahnung hatte. Zuletzt war es, dass wir als Jugendliche das gleiche Lieblingsbuch hatten (Natürlich Tintenherz von Cornelia Funke).
Das war schön, aber irgendwie hat es mich auch ins Grübeln gebracht, warum ich so etwas nicht weiß. Eigentlich weiß ich vieles nicht. Was wollte er mal werden, als er klein war? Welches war sein erstes Konzert? Wie steht er zu den potenziellen Kanzlerkandidat:innen? (Abgesehen von Merz, keiner mag Merz.) Ist er eigentlich zufrieden mit seinem Leben?
Wir sind eines dieser Paare, die sich die Zeit für echte Deep Talks zu selten nehmen. Beide im Home Office schlurfen wir ein paar Mal am Tag auf dem Weg in die Küche aneinander vorbei, quatschen kurz über die Abendpläne, während der Kaffee kocht. Am Wochenende schaffen wir es ab und zu raus zu fahren, irgendwo hin ins Grüne.
Dabei können wir dann reden, aber die Themen gebe meist ich vor. Und dann läuft es auf Beziehungsfragen hinaus, ein kleiner Streit wird noch mal aufgerollt, „Wann ziehen wir endlich fest zusammen?“, bald verlieren wir uns in großen Plänen für gesündere Ernährung und mehr Sport.
Das ist vermutlich schon mehr, als viele andere Paare miteinander zu besprechen haben, aber ist es auch schon Deep Talk? Ich habe mich gefragt, was genau das Ziel beim Deep Talk ist und wie man eine Situation schafft, die Raum für solche Gespräche zulässt. Gibt es Tricks, um redefaulen Partner:innen ihre innersten Geheimnisse entlocken?
Der Schlüssel zu einem gelungenen Deep Talk
Meine Recherche hat vor allem eines ergeben: Die richtigen Fragen sind ausschlaggebend, ob sich dein Gegenüber auf einen Deep Talk einlässt und wie ergiebig das Gespräch verläuft. Wichtig ist natürlich auch das Zuhören. Wenn der andere gerade ins Reden kommt und du direkt mit einer persönlichen Anekdote dazwischengrätscht, kann das die Redemotivation sofort wieder auf null zurückfahren. Also: Wenn du mehr über deine:n Partner:in erfahren möchtest, stelle Fragen und höre dir dann auch die Antworten an.
Es gibt eine Menge Fragen, die ein Paar näher bringen sollen. Allen voran natürlich die legendären „36 Fragen zum Verlieben“, die der amerikanische Wissenschaftler Arthur Aron 1997 in „The Experimental Generation of Interpersonal Closeness: A Procedure and Some Preliminary Findings“ veröffentlicht hat. Bei diesen Deep Talk- Fragen soll es darum gehen, durch die ehrliche Beantwortung intimer Fragen ein Gefühl der Verbundenheit zwischen der fragenden und der antwortenden Person zu erzeugen. Die 36 Fragen findest du in diesem Artikel.
Deep Talk geschickt einfädeln
Nun kann ich nur aus eigener Erfahrung sagen, wie mein Freund reagiert, wenn ich vorschlage, einen solchen Fragenkatalog romantisch bei Kerzenschein und Rotwein durchzuarbeiten: Er weigert sich. Für die harten Fälle braucht es also ein etwas subtileres Vorgehen.
Um einem scheinbar unverfänglichen Gespräch beim gemeinsamen Spaziergang oder auch beim Abendessen Deep Talk- Qualität zu verleihen, gibt es einige Tricks, die weniger einstudiert wirken, als einen Zettel mit 36 wissenschaftlichen Fragen zu zücken.
Zum Beispiel kannst du die Frage „Wie geht es dir“ auf ein konkretes Erlebnis zuspitzen: „Was war das Schönste, was dir heute passiert ist?“ Diese ungewohnte Formulierung regt dein Gegenüber dazu an, über seine oder ihre Antwort nachzudenken, anstatt sofort mit dem obligatorischen „Mir geht es gut“ zu antworten.
Auch der Nostalgiefaktor darf beim Deep Talk nicht unterschätzt werden? Die Frage, die mir bei der Recherche am besten gefallen hat, lautet hierbei: „Was vermisst du am meisten daran, nicht mehr Kind zu sein?“ Es ist eine schöne Frage, die dein Gegenüber in eine Welt zurückführt, in die sich die meisten Menschen gerne zurückdenken. Und sie hat den Vorteil, dass sie wunderbar zu der Frage des Berufswunsches in Kindheitstagen überleitet.
Wenn du es dann ein Mal geschafft hast, dein Gegenüber in den Redemodus zu fragen, kannst du euren Deep Talk sich ganz selbstständig weiterentwickeln lassen. Hake nach, wenn dich bestimmte Stellen interessieren, höre aufmerksam zu und lasse vielleicht hier und da eine der Profi-Fragen aus Arthur Arons Fragebogen unauffällig einfließen.
Warum Deep Talk wichtig ist
Jetzt, da du ein paar Tricks kennst, einen Deep Talk auf entspannte Weise einzufädeln, kannst du sie ja beim nächsten Dinner Date oder Spaziergang mal ausprobieren. Euch als Paar bringen regelmäßige Gespräche näher, sie bauen euer Vertrauensverhältnis aus und geben euch das gute Gefühl, den anderen wirklich zu kennen.
Erzwinge dabei aber nichts. Man ist kein perfektes Paar, nur weil man sich jeden Mittwoch um 18 Uhr zum zwischenmenschlichen Feedback-Gespräch trifft. Dennoch ist es hilfreich, gerade in längeren Beziehungen ab und zu einmal den gegenseitigen Stand der Dinge zu erfragen und eventuelle Unzufriedenheiten und Wünsche zu besprechen. Denn wie heißt es so schön: „Communication is key.“
Du willst noch mehr Beziehungstipps? Wir erklären dir, wie du dich endlich von leeren Versprechungen befreist. Und wenn du dich fragst, welche die wichtigsten Grundlagen einer Beziehung sind, kannst du hier weiterlesen.