Seit Wochen geistert im Netz verstärkt der Hashtag #MenToo herum. Seit gestern ist er in den Twitter-Trends und es scheint dazu unglaublich viele verschiedene und sich gegenseitig ausschließende Meinungen zu geben.
Der Grund für den Aufruhr ist der US-amerikanische Schauspieler Johnny Depp, der vor Gericht gegen seine Ex-Frau Amber Heard kämpft. Der Prozess ist voller Lügen, rätselhaftem Beweismaterial und Skandalpotenzial. Im Netz geht es vor allem um die Frage, welche Gewalt Amber gegen Johnny ausübte.
#MenToo ist aus der weltweiten #MeToo-Bewegung entstanden, wird aber von den Verfechter:innen heute sogar teilweise als Kampfbegriff genutzt. Was ist eigentlich #MenToo und inwiefern unterscheidet der Hashtag sich von #MeToo?
#MeToo vs. #MenToo: Was ist der Unterschied?
Die Geschichte von #MeToo
Die #metoo-Bewegung gibt es bereits seit dem Jahr 2006. Damals hatte Tarana Burke, eine Überlebende von sexueller Gewalt bei Myspace auf ihren Fall aufmerksam gemacht. Die Universität Harvard hatte danach eine Studie mit dem Namen „Leading with Empathy: Tarana Burke and the Making of the Me Too Movement“ publiziert. Seither ist das #MeToo-Movement immer größer und stärker geworden.
Vor allem Frauen überall auf der Welt haben sich mit der Bewegung identifiziert und die gewaltvollen Übergriffe an die Öffentlichkeit gebracht. Einer der bekanntesten Fälle ist der des Filmproduzenten Harvey Weinstein, dem heute mehr als 100 Frauen sexuelle Belästigung oder Vergewaltigung vorwerfen.
Ein aktueller Fall der deutschen Politik zeigt, dass die Fälle von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch heute noch nicht der Vergangenheit angehören, aber dass sich immer mehr Frauen frei genug fühlen, den Mund aufzumachen und ihre Widersacher öffentlich anzuklagen.
Bei der Partei Die Linke hatte es jahrelange Machtmissbräuche, Mobbing und sexuelle Belästigung von männlichen Parteimitgliedern gegeben. Heute sprechen Linke-Politikerinnen offen darüber, auch wenn es ihnen noch immer schwerfällt, den Sexismus zu beweisen. Die Linke muss sich nun in allen deutschen Bundesländern zu den Vorwürfen äußern, Stellung beziehen und Besserung beschwören.
#MenToo: Das Internet spricht über Johnny Depp
Ein Wort kommt mit den #MeToo-Skandalen in der letzten Zeit immer häufiger auf: Der Hashtag #MenToo hat sich vor allem seit dem laufenden Gerichtsprozess zwischen Amber Heard und Johnny Depp in den letzten Wochen im Netz aufgetan.
Im Fall Depp und Heard geht es um Gewalt innerhalb der Ehe im Jahr 2015 bis 2016. Die beiden werfen sich gegenseitig gewaltvolles und kontrollierendes Verhalten vor und fordern 50 Millionen (Depp) und 100 Millionen (Heard) Dollar Schadensersatz. Sie geben an, dass der/die jeweils andere sich psychisch und physisch gewaltvoll verhalten habe. Noch ist der Prozess zwischen Amber Heard und Johnny Depp nicht ausgestanden und kein Urteil konnte gefällt werden.
Redaktionstipp: Die sozialen Medien sind derzeit überfüllt mit Videos mit Live-Aufnahmen und weiterführenden Spekulationen über den Prozess. Wer die bisherigen Updates zum Fall wissen möchte, kann die Details hier nachlesen (Englisch).
Die meisten User:innen in Foren und auf Social Media sind davon überzeugt, dass die Gewalt vornehmlich von Amber Heard ausging und finden sich auf der Seite von Johnny Depp wieder.
Das sind die Meinungen auf Twitter über #MenToo
Männer (und Frauen) machen nun darauf aufmerksam, wie wichtig ihnen die Bewegung #MenToo neben der #MeToo-Bewegung ist. Auf Twitter trendet der Hashtag #MenToo schon seit zwei Tagen.
„Amerika entdeckt gerade, dass auch Frauen böse sein können. #MenToo“ schreibt ein User auf Twitter und bekommt dafür mehrere Hundert Likes.
Eine Userin schreibt: „‚#MenToo. Bedauerlicherweise führt Feminismus manchmal dazu, Frauenrechte stärker wahrzunehmen und Männern ihre Rechte abzusprechen. Dabei sollte doch GLEICHBERECHTIGUNG das Ziel sein. Der Mann ist nicht weniger wert, weil er einen Penis hat.“ Dafür gibt es ebenfalls mehrere Hundert Likes.
Ein Teil der Community auf Twitter befürchtet also, dass Männer bei der #MeToo-Bewegung ausgeschlossen würden und Übergriffe auf Männer von der Gesellschaft übergangen würden.
Es gibt allerdings auch kritische Stimmen beim trendenden Hashtag #MenToo. Eine Userin schreibt: „Ich kriege das Ko**en beim Hashtag #MenToo. Niemand hat je bestritten, dass auch Frauen gewalttätig sein können. Aber seltsam, wie sich die Masse darauf stürzt, im Vergleich zu der Aufmerksamkeit, welche die tägliche Gewalt an Frauen NICHT findet, weil sie so normal ist.“ Auch hier gibt es einige Hundert Likes.
Werden die Männer einfach vergessen?
Schon zu Beginn der #MeToo-Debatte im Jahr 2006 machte die Begründerin Tarana Burke darauf aufmerksam, dass nicht nur Frauen Opfer von sexueller Gewalt und Übergriffigkeiten sind. Schon damals zitierte sie Statistiken: Ihnen zufolge sollen einer von sechs Männern in den USA bereits Erfahrungen mit sexueller Gewalt innerhalb ihres Lebens gemacht haben.
Burke rief die Männer damals dazu auf, gewaltvolles Verhalten, das ihnen von Frauen angetan wird, anzukreiden und anzusprechen. Gleichzeitig war Burke aber auch bewusst, dass es vielen Männern sehr schwerfällt, über die Taten zu sprechen. Die Scham sei zu groß.
Männer werden also bei der #MeToo-Bewegung nicht einfach übergangen. Sie sind mitgemeint. Die Bewegung richtet sich an alle Opfer von sexueller Gewalt und will die gesellschaftlichen Missstände aufdecken, die durch Machtmissbrauch entstanden sind.
Gewalt an Frauen & Gewalt an Männern in Deutschland
Lassen wir auch mal die deutschen Zahlen sprechen: Drei von vier Frauen in Deutschland wurden bereits sexuell belästigt. In den allermeisten Fällen von Männern. Männer erfahren ebenfalls sehr viel Gewalt in der Öffentlichkeit. Hier sind es zum größten Teil ihre Geschlechtsgenossen, die ihnen Gewalt antun.
Die Studie „Gewalt gegen Männer“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2004 fasst zusammen: „Männliche Jugendliche und junge Männer sind nicht nur zufällig häufig Täter, sondern auch Opfer.“
Des Weiteren berichtet die Studie, dass in der Tat sehr wenig Forschung zur sexuellen Gewalt an Männern besteht. Allerdings wird angemerkt, dass Gewalttaten an jungen Männern vor allem von ihrer Eltern- oder Großelterngeneration ausgeübt werden.
Darum bekommt Gewalt gegen Frauen mehr Aufmerksamkeit
Über die Gewalt gegen Frauen in Deutschland ist weit mehr bekannt und die Statistiken sind mannigfaltig. Auf Wikipedia sind die folgenden Zahlen zu finden: 40 % der Frauen haben seit ihrem 16. Lebensjahr physische und/ oder sexuelle Gewalt oder beides erfahren.
Bis heute wird das Thema sexuelle Gewalt auch bei Frauen nicht immer angesprochen und die Dunkelziffer ist hoch. 37 % der Opfer von körperlicher und 47 % von sexueller Gewalt haben mit niemandem über die Ereignisse gesprochen. Noch höher ist dieser Anteil, wenn es sich bei den Verbrechenden um ihre (Ex-)Lebensgefährten dreht.
In Österreich sind die Zahlen ähnlich: Drei von vier Frauen waren hier bereits Opfer sexueller Belästigung und fast jede dritte Frau hat bereits sexuelle Gewalt erlebt.
Die Zahlen der sexuellen Gewaltdelikte, die an Männern begangen werden, sind nicht nur geringer. Sie sind auch nicht so weitgehend dokumentiert. Laut der Beziehungsberaterin Kasia Urbaniak liege das zu einem großen Teil an der toxischen Männlichkeit, die Männer davon abhalte, Übergriffe publik zu machen. Sie fordert Männer dazu auf, sich zu öffnen und die Täter:innen zu benennen. Gleichzeitig fordert sie Frauen dazu auf, auch den männlichen Opfern von Gewalt einen gewissen Raum zu geben, damit sie sich Gehör verschaffen können.
Fazit: Der Unterschied zwischen #MeToo und #MenToo?
Den Unterschied zwischen #MeToo und #MenToo zu benennen, ist nicht so einfach. Immerhin ist #MeToo in Hinblick auf Frauen UND Männer entstanden. In den vergangenen Jahren haben sich vor allem weibliche Opfer von sexueller Gewalt in der Öffentlichkeit für ihre Sache starkgemacht. Nun werden aber auch die Stimmen männlicher Opfer immer lauter. Die Unterstützung für Johnny Depp ist nur die Spitze des Eisberges.
Vielleicht waren die letzten Jahre der #MeToo-Bewegung nur der Anfang von etwas noch Größerem. Vielleicht können wir uns mit #MeToo und #MenToo eine Zukunft vorstellen, in der sexuelle Gewaltverbrechen keine Scham bei den Opfern mehr auslösen, sondern vor allem die Suche nach Gerechtigkeit im Vordergrund steht.
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