Klickt man sich dieser Tage gemächlich durch den Online-Shop von H&M stößt man auf eine flauschige Tasche, die als echtes It-Piece daherkommt. Beim Namen der Tasche, die für 29,99 angepriesen wird, kommt man allerdings ins Stutzen: Hobo Bag. Sollte man eine Tasche heute noch so bewerben? Wir erklären, was das Problem an dieser Bezeichnung ist.
Die Hobo Bag: Warum ihr Name problematisch ist
Erstmals wurde der Begriff Hobo gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt, um amerikanische Wanderarbeiter zu bezeichnen. Diese waren zumeist obdachlos und zogen mit Güterzügen durch das Land, um sich Arbeit zu suchen. Ihr Hab und Gut verstauten sie dabei in einem Sack, den sie an einen Stab banden.
Die Modewelt hat daraus ein Accessoire weiterentwickelt: die sogenannte Hobo Bag. Dabei handelt es sich um eine unverstärkte Tasche mit nur einem Griff. Die erste Hobo Tasche der Welt wurde 1936 hergestellt und für nur 35 Cent verkauft. Heute findet man diese Art Tasche in sämtlichen Online-Shops – von Luxusmarken, die sie für Tausende Euro anpreisen bis hin zu erschwinglicheren Marken wie H&M.
Ausdruck mit einer langen und authentischen Kulturgeschichte
Die Hobo Bag ist aufgrund ihres Namens unweigerlich mit Armut und Obdachlosigkeit verknüpft. Diese Art Tasche weiterhin so zu benennen scheint auf den ersten Blick wenig politisch korrekt und doch sprechen sich viele dafür aus, den Namen der Hobo Bag beizubehalten. Der Modekritiker Luke Leitch meint zum Beispiel, dass der Begriff „ein Ausdruck mit einer langen und authentischen Kulturgeschichte ist“.
Damit bekommt er einen heroischen Status verliehen und immerhin identifizieren sich bis heute ein paar Tausend Menschen als Hobo. Manche von ihnen reisen sogar nach Britt in Iowa, um dort den Titel des Hobo Kings oder der Hobo Queen verliehen zu bekommen. Nichtsdestotrotz bleibt ein schaler Beigeschmack dabei, sich eine Tasche umzuhängen, die als Obdachlosen-Tasche übersetzt werden könnte.
Was ist Hobo an der Hobo Bag?
Warum also nennt man die Hobo Bag weiterhin so? Zumal diese Taschen rein gar nichts mit einem Wanderleben in Mittellosigkeit zu tun haben. Sehen wir uns allein das Modell von H&M an, welches aussieht, als wäre es aus einem weißen Schaf gefertigt und dürfte keinesfalls in den Dreck gestellt werden. Oder die Modelle der Luxusmarken aus hochwertigem Leder und echten Goldelementen.
Modefotograf und Model Mark Reay findet klare Worte gegen die Hobo Bag: „Der Kampf der Obdachlosen kann nicht geleugnet werden und ich finde es beleidigend, dass die Modebranche, eine der verschwenderischsten Industrien überhaupt, das ausnutzt.“ Er selbst lebte über sechs Jahre als Obdachloser in New York und weiß daher, wovon er spricht.
Sprache ist ein mächtiges Ding
Manch einer wird nun meinen, dass es übertrieben wäre, sich über so etwas Nichtiges wie die Bezeichnung einer Tasche aufzuregen. Wir sehen das anders. Sprache hat Einfluss darauf, wie wir denken. Und wie wir denken, hat Einfluss auf unsere Handlungen. Wir leben in einer Zeit, in der wir vieles reflektieren können und auch müssen – zumindest, wenn wir weiterkommen und besser werden wollen.
Besinnen wir uns auf den Ursprung der Hobo Bag, kommt ein Bild eines mittellosen Menschen auf, der ein schweres Leben lebt. Wie kann man da ruhigen Gewissens die Hobo Bag in den Warenkorb legen und stolz damit rumlaufen, wenn sie doch zugleich für so viel Leid steht? Solange diese Art Tasche weiter diesen Namen trägt, ist sie schlicht Ausdruck für den Versuch der Modebranche, aus einem provokanten Thema Profit zu schlagen.
So meint auch Tony Thorne, ein Experte für Slang, Jargon und Kulturgeschichte am King’s College: „Ich glaube nicht, dass Begriffe wie ‘Obdachlosen-Chic’ oder ‘Bauern-Chic’ jemals von irgendjemanden als neutral oder nett angesehen wurden; sie werden benutzt, um ‚provokant‘ zu klingen, aber diese Provokation ist nicht mehr zeitgemäß.“
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