Wer in den letzten Wochen auf der Seite von Stefanie Giesinger nu-in shoppen wollte, wurde positiv überrascht von einem Mega-Sale. 70 % auf fast alle Artikel im Sortiment sind saftig. Wie kann ein junges Modeunternehmen, welches nachhaltig wirtschaften will, solche Preise anbieten?
Nu-in seit Wochen im Super-Sale: Was ist los?
Schon eine Woche vor der Black-Friday-Week verkündete das 2019 gegründete Modelabel nu-in, dass es in Form einer Green Fashion Week einen gigantischen Sale von bis zu 60 % anbieten wird. Allerdings ist aus der Woche inzwischen ein Monat geworden und noch immer sind fast alle Artikel im Sale (bis zu 70 %).
Anders als zum letzten Black-Friday-Sale 2020, wo es Rabatte bis zu 50 % gab, hat Stefanie Giesingers Modelabel allerdings noch eine Kondition hinzugepackt: Alle im Sale geshoppten Artikel dürfen NICHT zurückgeschickt werden. Einzig falsche oder beschädigt gelieferte Ware wird zurückgenommen. Begründet wird das mit einem nachhaltigen Ansatz, denn Retouren sind schlecht für die Umwelt.
Gleichzeitig beschweren sich viele der Sale-Shopper:innen online, dass ihre Bestellungen nicht versendet werden. Auch hier entschuldigt sich nu-in damit, dass sie die „Anfrage unterschätzt“ haben. Mehr über das Label nu-in und wer noch dahinter steckt außer Stefanie Giesinger, erfährst du hier.
So begründet „nu-in“ den Supersale
Aufgrund vermehrter Nachfragen von Kund:innen hat nu-in ein „Green Fashion Pledge“ auf der Shopseite ergänzt, um zu erklären, warum und wie dieser Supersale zustande gekommen ist. Dort heißt es:
„When we started nu-in in 2019, we set out with a bold mission to create a force for change towards ethical and sustainable fashion, and this will never change. But we’ve made some mistakes along the way and learnt valuable lessons. We remain steadfast in our sustainability ambitions and pledge to constantly improve our business to the benefit of our beautiful planet. We can’t succeed without your help, so join us this week by committing to Green Fashion practices and as an added incentive, we will give you 60% off our green fashion purchase, plus a free gift for every new customer signing up.“
Aber was genau soll das heißen? Schlau wird man aus der Erklärung nicht: Haben sie zu viele Retouren bekommen, die sie nicht bewältigen konnten? Wurde zu viel geordert? Steht das Label vor der Insolvenz und will alle Restposten verkaufen? Ist das die neue Preisstrategie und die „Green Fashion Week“ soll einen smoothen Übergang darstellen?
Diese Frage stelle nicht nur ich mir, sondern auch anderen Shopper:innen auf Instagram. Leider wurden fast alle Kommentare zu dem Sale gelöscht, allerdings gibt es noch Antworten von nu-in:
„[…]This 70% sale is not motivated by profit, but to compensate the overstock of past collections, since we openly admit that we overestimated the demand for certain items, and we want to give our customers the last chance to purchase their favourite garments at a fraction of the price while stock lasts. The no-return policy of items on sale does not promote overconsumption but conscious purchases. With this, we also don’t want to contribute to the landfill problem or to increase the CO2 emissions. […]“
Hier bekommen wir also eine bessere Antwort: Es wurde zu viel geordert und diese Artikel sollen jetzt schnell unter die Leute gebracht werden. Die No-Return-Policy hingegen soll nachhaltiger sein, weil so weniger Artikel weggeschmissen werden müssen.
Wie grün ist die No-Return-Policy?
Was bei nu-in als „Green Fashion Week“ beworben wird, ist tatsächlich Marketing vom Feinsten und dürfte die Kassen klingeln lassen. Insbesondere durch die No-Return-Policy. Denn tatsächlich werden knapp 32 % aller Bekleidungsartikel beim Online-Shopping zurückgeschickt wie eine Statista-Übersicht zeigt. Rücksendungen sind für Fashion-Label ein großes Verlustgeschäft. Denn es kommen nicht nur doppelte Versandkosten, sondern auch Reinigung und Neuverpackung auf sie zu.
Deshalb schicken viele Marken ihre Rücksende-Artikel direkt auf die Müllhalde. Der Mehraufwand rechnet sich nicht für sie. Als „sustainibly driven“-Label sollte man diese Praktik von nu-in eigentlich nicht erwarten. Allerdings implizieren sie in ihrem Statement, dass sie genau dies tun:
„If you ordered an incorrect size we therefore encourage you to pass on the item instead of returning it, and in the unlikely event that an item arrives damaged, we welcome your return and commit to repairing the item and will donate it to a worthy cause to ensure it doesn’t end up in a landfill.“
Damit schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe, denn der Footprint des Unternehmens wird durch die Policy extrem klein und sie sparen auch noch sehr viel Geld. Allerdings nur, weil sie das „Entsorgen“ ungewollter oder nicht passender Kleidung an ihre Kund:innen abgeben. Diese sollen die Artikel verschenken oder spenden. Allerdings gibt es einen Überschuss an gespendeter Bekleidung. Nur ein Bruchteil wird in Deutschland genutzt, der Großteil wird verschifft und verkauft und direkt weggeschmissen. Mehr zur Krux beim Kleiderspenden liest du hier.
Wie funktionieren diese Sale-Preise?
Bereits vor dem Sale kritische Stimmen hinterfragt, wie nachhaltig nu-in sein kann, bei den vergleichsweise kleinen Preisen. Deshalb hat das Label transparent aufgelistet, wie sie arbeiten und wie viel Geld in welche Steps fließen. Ein nu-in Shirt von 14,99 € soll demnach nur eine Mage (Profit) von 4,59 € haben.
Tatsächlich kostet ein unbedrucktes T-Shirt knapp 24,99 € (UVP) und jetzt im Sale 7,50 €. Nu-in macht damit also ein Minus von 2,40 €, wenn wir uns die Beispielrechnung anschauen.
Noch dazu impliziert nu-in in ihrer Price Policy, dass sie eben keine Sales in ihre Preisgestaltung einberechnen, wie es viele andere Labels machen. Wie kann sich der wochenlange Sale also rechnen?
Fazit: Fans misstrauen „nu-in“
Alles in allem wirkt die Aktion wie ein Restpostenverkauf und die Statements des Labels sind ziemlich schwammig. Insbesondere da auch alle Teile der neuen Kollektion 70 % reduziert sind. Vielleicht hat das Label von Stefanie Giesinger deshalb alle Insta-Posts zum Sale gelöscht? (Auf Facebook sind sie noch vorhanden).
Als eigentlich begeisterte Kundin des Labels hoffe ich, dass es sich tatsächlich nur um eine Überbestellung handelt. Allerdings lassen mich die Methoden doch sehr daran zweifeln. Vorstellbar wäre es auch, dass nu-in ein eine andere Richtung einschlagen will und mit diesen Billigpreisen weitermachen möchte. Bedenkt man, dass der Kopf von nu-in vorher bei NA-KD gearbeitet hat, wäre das durchaus vorstellbar. Sollte das passieren, haben sie mich und vermutlich auch viele andere Kund:innen, die auf Nachhaltigkeit schauen, verloren.
Du suchst nachhaltige Label ohne Grauzonen? Hier wirst du fündig: