Wann immer wir von wmn die Möglichkeit haben, spannende und starke Frauen kennenzulernen, fackeln wir nicht lange. Letzte Woche konnten wir so ein spannendes Interview mit Julia Kautz ergattern, die wir in dieser Woche zu unserer weekly heroine erkoren haben!
Sie ist als ehemalige Chefreporterin der BRAVO um die ganze Welt geflogen und hat Stars wie Lady Gaga und Justin Bieber interviewt, jedenfalls bis sie ihren Job aufgegeben hat, um selbst Musik zu machen. Mit uns hat sie über ihren spannenden Werdegang, Frauen in der Musikbranche und darüber gesprochen, wie sie ihre letzte Trennung musikalisch in ihrer neuen EP Amnesie verarbeiten konnte.
Julia Kautz – kurz & knapp
Du hast noch nie von Julia Kautz gehört? Das sollte sich ändern:
- Julia Kautz ist 39 Jahre alt und kommt aus Wien. Heute lebt sie in München und arbeitet als Singer-/Songwriterin.
- Viele Jahre war sie allerdings als Chefreporterin der BRAVO tätig und hat die größten Stars der Musikbranche interviewt – und manchmal auch mit ihnen gefeiert.
- Ende November erscheint ihre neue EP Amnesie, in der sie offen und verletzlich ihre letzte Trennung aufarbeitet.
Julia Kautz & ihr „ungewöhnlicher Lebensweg“
wmn: Hey Julia, stell dich doch einmal kurz vor, bitte!
Julia Kautz: Hey! Mein Name ist Julia Kautz und ich bin Sängerin und Songwriterin aus München. Ich habe aber einen relativ ungewöhnlichen Lebensweg, denn ich war vorher sehr lange Musikjournalistin.
wmn: Du hast super lange für die BRAVO gearbeitet. Was hast du da genau gemacht?
Julia Kautz: Ich war Chefreporterin und das bedeutet, dass man ganz viel unterwegs ist. Ich bin also die ganze Zeit um die Weltgeschichte geflogen, nach L.A., nach London und Paris und habe da ständig Superstars interviewt. Tatsächlich so ziemlich jeden, der Rang und Namen hat. Das war eigentlich der absolute Traumjob.
Irgendwann habe ich dann eine ganze Nacht im Berghain mit Lady Gaga durchgefeiert
wmn: An welches Interview denkst du gerne zurück?
Julia Kautz: Es gab viele sehr gute Interviews! Ich nenne aber immer sehr gerne Lady Gaga als Beispiel, weil sie immer so unfassbar crazy und gleichzeitig so spannend war. Und auch immer so ganz besonders geantwortet hat.
wmn: Was meinst du mit besonders?
Julia Kautz: Sie hat sich immer so ganz abgehackt bewegt beim Sprechen! Am Anfang dachte ich sogar sie hätte Zuckungen, aber ich glaube das ist einfach ihr Style. Sie hat sich bewegt wie in ihren Musikvideos beim Sprechen.
wmn: Also war sie selbst bei Interviews völlig in ihrer Rolle?
Julia Kautz: Ja, total! Und ich glaube, zudem wollte sie nicht sehr viel Privates preisgeben. Stattdessen hat sie immer ganz künstlerisch geantwortet. Ich war von ihr einfach ab Sekunde eins fasziniert.
Ich weiß noch, wie die erste Begegnung mit Lady Gaga war – in einem Hotelzimmer mit drei weiteren Journalisten und sie mit ihrem Keyboard. Da hat sie Pokerface und Paparazzi gesungen, bevor es jemand kannte. Sie hatte dabei eine riesen Schleife auf dem Kopf und eine noch größere Sonnenbrille auf. Und ich dachte mir direkt: „Oh, mein, Gott: Die wird ein riesen Star!“
Und das Schönste an meinem Job war auch, dass wir die Stars betreut haben. Wir haben sie also richtig Beziehungen mit ihnen aufgebaut. Und irgendwann habe ich dann eine ganze Nacht im Berghain mit Lady Gaga durchgefeiert. Das war wohl der verrückteste Abend in meinem ganzen Leben.
wmn: Trotz dieser unglaublichen Karriere hast du dann 2012 deinen Job gekündigt. Was war da los?
Julia Kautz: Das Problem ist, dass ich schon als Kind den Traum hatte, Musik zu machen. Schon bevor ich schreiben konnte, habe ich Texte und Melodien in meinen Kassettenrekorder eingesungen. Und wenn man dann Musikjournalist ist, machen alle anderen Musik und leben deinen Traum und du darfst immer nur darüber schreiben, wie lecker dieser Kuchen schmecken mag, aber du darfst nie selber zugreifen und den Kuchen selber essen.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich nach einem Interview mit Lady Gaga im Flieger saß und auf einmal sind mir die Tränen runtergelaufen und ich dachte so: Du machst so haarscharf das Falsche. Und was noch schlimmer war, ich hatte einen wiederkehrenden Traum.
In dem Traum war ich eine alte Frau an meinem Sterbebett und habe wahnsinnig bereut, das falsche Leben gelebt zu haben. Nach dem ersten Mal bin ich heulend aufgewacht und wusste sofort, dass ich etwas ändern muss.
(Anmerkung der Redaktion: Das Interview wird hier nur in Ausschnitten gezeigt. Wer jedoch dem ganzen feuchtfröhlichen Gespräch lauschen möchte, sollte sich nicht die 11. Folge des Podcasts Wein& Weiber entgehen lassen.)
wmn: Denkst du, dass es Frauen in der Musikbranche allgemein schwerer haben?
Julia Kautz: Leider ja, man merkt es allein an den Strukturen im Radio. Ich habe jetzt schon oft gehört, dass Frauen weniger im Radio gespielt werden, weil angeblich ihre Stimmen nerven. Deswegen könne man nur ein bis zwei Frauen spielen.
Wir müssen einfach aufhören, unser Licht von der Männerwelt unter den Scheffel stellen zu lassen.
wmn: Klingt ziemlich sexistisch!
Julia Kautz: Ich finde das auch richtig krass und glaube auch nicht, dass es stimmt. Es gibt so viele Jungs im Deutschpop. Und es gibt viel zu wenige Mädels, auch wenn es ganz ganz tolle Mädels gibt! Irgendwie ist es dann schade, wenn es heißt: Aber dafür haben wir ja jetzt schon ein Mädel. Warum gibt es denn immer nur einen Slot für ein Mädel und fünf Slots für Männer? Ich hoffe, dass sich das ändert.
wmn: War deine Solokarriere für dich eine Art emanzipatorischer Akt?
Julia Kautz: Ja, total! Mir ist das auch total wichtig, denn ich merke auch, dass wir Mädels eine unglaubliche Kraft haben. Wir müssen einfach aufhören, unser Licht von der Männerwelt unter den Scheffel stellen zu lassen.
Gleichzeitig nehme ich aber auch gerade eine Bewegung wahr, dass wir Frauen immer mehr zusammenhalten. Früher war ihr öfter mit Stutenbissigkeit konfrontiert.
Mittlerweile habe ich aber eher das Gefühl, dass wir Mädels vor allem in der Musikbranche uns gegenseitig unterstützen und pushen. Ich finde das so wunderschön, immerhin sind wir zusammen noch stärker.
Ganz oft wird Mädels gesagt, dass sie eine ganz gute Stimme hätten, aber erst mal 20 Kilo abnehmen müssten.
wmn: Das bedeutet aber auch harte Arbeit an sich selbst, denn man vergleicht sich ja doch manchmal ganz gerne…
Julia Kautz: Ja, ich glaube, das kennt jeder, der die App Instagram öffnet. Natürlich ist das ein ganz menschlicher Prozess, sich da zu vergleichen. Ich glaube aber, dass es ganz wichtig ist, sich irgendwann in seiner eigenen Haut wohlzufühlen, denn dann kann man anderen Frauen auch mehr applaudieren.
wmn: Und woher kommen diese Komplexe deiner Meinung nach?
Julia Kautz: Besonders auf uns Frauen liegt ein enormer Druck. Wir müssen perfekt aussehen, wir müssen Karriere machen, aber gleichzeitig auch Familie gründen. Wir müssen weich sein, aber auch hart sein. Es hat sich so entwickelt, dass wir Mann und Frau zugleich sein müssen. Und vor allem in der Musikbranche muss man echt tough sein! Da habe ich schon so krasse Sachen erlebt.
wmn: Da musst du jetzt aber mal ins Detail gehen, bitte!
Julia Kautz: Du musst unfassbar viele Rückschläge einstecken, du wirst die ganze Zeit kritisiert, alle sagen dir, dass du nicht schön und gut genug bist…
wmn: Moment mal! Einem wird echt gesagt, man wäre nicht schön genug?
Julia Kautz: Ganz oft wird Mädels gesagt, dass sie eine ganz gute Stimme hätten, aber erst mal 20 Kilo abnehmen müssten. Oder das sie sich anders anziehen und bewegen sollen. Man muss sich eigentlich komplett verändern, um erfolgreich zu sein.
wmn: Lass mich raten, da sitzen vor allem männliche Produzenten, die dieses Bild von Weiblichkeit verkaufen möchten?
Julia Kautz: Genau und vor allem sollen die Frauen da bloß nicht zu stark sein, denn Männer sollen sich immerhin nicht eingeschüchtert fühlen. Was ich abschließend sagen möchte: Du musst also tough genug sein, dich in dem Business durchzusetzen, musst aber gleichzeitig sensibel genug sein, um diese Songs schreiben zu können. Das ist ein Spagat, an dem ich immer noch arbeiten muss.
Am Anfang neigt man dazu, diese Frau zu hassen!
wmn: Wie offen und persönlich wirst du in deinen eigenen Songs?
Julia Kautz: Da lege ich wirklich mein Herz offen!
wmn: Wie zum Beispiel beim Song Leonie, in dem du eine schmerzliche Trennung überwindest?
Julia Kautz: Ja. Ich spreche in dem Song eine Frau an, die ich nie getroffen habe, ich habe sie nie kennengelernt. Ich frage sie aber, ob mein Freund mich mit ihr betrügt. Und da gibt es diese eine Zeile, die Schlüsselzeile, die lautet: „Ist ein halbes Herz, das was dir genügt oder belügt er dich, wie er mich betrügt? Weil: Vielleicht wusste sie ja gar nicht, dass es mich gibt?!
Dabei dachte ich mir vor allem: Hey, wir Mädels müssen doch eigentlich zusammenhalten! Am Anfang neigt man ja dazu, diese Frau zu hassen. Aber dann dachte ich mir, vielleicht kann sie ja gar nichts dafür. Vielleicht ist nur er der Arsch. (lacht)
wmn: Wie hast du denn erfahren, dass er dich betrogen hat?
Julia Kautz: Das hat mir ein gemeinsamer Kumpel erzählt. Und das Absurde an der Situation war, dass ich erleichtert war. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, weil ich dann wusste, ich bin nicht verrückt und mein Bauchgefühl ist total ok. Das war auch einer der Gründe, warum ich den Song geschrieben habe. Ich wollte allen Menschen da draußen mitgeben: Habt den Mut auf euer Bauchgefühl zu hören, weil es hat recht!
wmn: Also ein empowernder Song?
Julia Kautz: Ja, denn wir dürfen uns nicht verarschen lassen. Wir müssen stark und mutig genug sein, um sowas nicht zuzulassen. Vor allem dürfen wir uns nicht manipulieren lassen, denn es ist echt das Schlimmste, einer Person ihr Bauchgefühl zu rauben.
wmn: Wann ist denn deine neue EP draußen?
Julia Kautz: Ich habe die Quarantäne-Zeit genutzt und habe Tag und Nacht gearbeitet. Und diese ganze EP ist monothematisch und dreht sich nur um diese Trennung, die ich kurz zuvor hatte. Jeder Song beschreibt ein anderes Gefühl: der Liebeskummer, die Enttäuschung, das Verarbeiten, das Wiederaufstehen, Wieder-Mut-Fassen, Abschließen, Vergessen – immerhin heißt die EP auch Amnesie.
Mittlerweile sind schon vier Songs draußen. (Anmerkung der Redaktion: Der Titelsong der EP Amnesie ist seit Kurzem draußen.) Und es kommt noch ein Song, bevor die EP fertig ist. Eventuell gibt es noch einen Bonustrack. Und die komplette EP kommt dann Ende November. Am 3. Dezember, so Corona es will, gibt es auch ein EP-Realese-Konzert in München, Corona-konform mit ganz viel Abstand natürlich!
Auf viele weitere spannende Jahre in der Musikbranche
Wir danken Julia für dieses Interview, in dem sie sich genauso zeigt, wie auch ihre Songs beschaffen sind: tiefgründig, emotional und voller Kraft! Sie hat sich den Titel unserer weekly heroine redlich verdient, denn sie vermag es, uns mit ihrer Art und mit ihrer Kunst zu inspirieren und zu empowern. Auf dass sie in Zukunft ihren Traum, selbst Musik zu machen, weiter kompromisslos ausleben und bald schon wieder vor ihren Fans auftreten kann, um auch ihnen dieses Gefühl live zu vermitteln.
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