Jede Woche stellen wir dir in unserer Rubrik Weekly Heroine Frauen vor, die sich für wichtige Themen stark machen, uns inspirieren und zum Nachdenken anregen. Diese Woche widmen wir uns der Feministin Julia von @trinksaufmich. Mit wmn hat sie über Alltagssexismus, Cat Calling und die Phrase ‚Not Asking For It‘ (zu Deutsch: nicht danach fragend) geredet.
Julia nutzt ihren Instagram-Account und dessen Reichweite für feministische Posts und macht mit diesen unter anderem auf sexuelle Gewalt und Belästigung von Frauen aufmerksam – und gibt Tipps und Tricks, wie man dagegen vorgehen kann.
Julia von @trinksaufmich kurz & knapp
Du hast noch nie etwas von der Queer-Feministischen Instagrammerin gehört und würdest gerne mehr über sie und ihre Mission erfahren?
- Julia ist 23 Jahre alt und lebt in Wien, Österreich.
- Momentan hat sie auf ihrem Account circa 22.400 Follower*innen – und täglich kommen neue Fans dazu.
- Seit 2013 ist sie mit ihrer Freundin zusammen, kann aber ihre Sexualität „trotzdem nicht genau einordnen – will [sie] auch gar nicht“.
- Ihre Instagram-Posts reichen von Female Empowerment über Selbstliebe bis zum Zerfetzen von „sexistischen Dudes“
- Julia lebt und vermittelt intersektionalen Feminismus und steht damit hinter dem Konzept, dass Feminismus individuelle und vielfältige Lebensrealitäten und Diskriminierungsformen, die über Sexismus hinausgehen, an Frauen und weiblich gelesenen Menschen in Betracht ziehen muss
Julia von @trinksaufmich im Interview: „Ich bin feministische Freiheitskämpferin“
wmn hatte die Möglichkeit, mit der Influencerin ein Interview zu führen. Warum sie sich als „feministische Freiheitskämpferin“ bezeichnet und sich schon lange nicht mehr auf Diskussionen mit Männern einlässt, erfährst du hier.
wmn: Du bezeichnest dich ja in deiner Bio direkt als „feministische Freiheitskämpferin“. Verrate uns doch mal, was es damit auf sich hat und was du so wichtig daran findest, überhaupt Feministin zu sein.
Julia: Meine Bio ist eigentlich nur aus Bezeichnungen gewählt, die mir Männer gaben. Ich hab das gar nicht selbst gewählt. Und ich fand das so witzig. Deswegen hab eich das direkt in meiner Bio stehen.
Warum ich mich natürlich trotzdem als Feministin bezeichnen würde: Feminismus ist einfach so unglaublich wichtig. Wenn einem einmal auffällt, in was für patriarchalen Strukturen wir leben, dann kommt man nie wieder aus diesem Denken heraus. Ich beschäftige mich so seit drei oder vier Jahren intensiv mit Feminismus. Davor war es für mich komplett normal, dass sich Frauen nicht freizügig anziehen. Ich hab das nicht einmal hinterfragt. Dann bin ich in diese Bubble gekommen und habe über vieles nachgedacht. Viele Kleinigkeiten wirken so klein und unscheinbar, sind es aber gar nicht. Deshalb finde ich es so wichtig, jeden Tag über Feminismus aufzuklären und deshalb mache ich das auch jeden Tag.
wmn: Du klärst auf deinem Instagram-Kanal Follower:innen zum Thema sexuelle Belästigung und Alltagssexismus auf. Wie genau gehst du bei dieser Aufklärung vor? Warum denkst du, dass es so eine große Plattform braucht und ist es nicht eigentlich klar, dass so etwas immer wieder passiert?
Julia: Sexualisierte Gewalt ist mit sehr vielen Tabus verknüpft. In unserer Gesellschaft reden weiblich gelesene Personen eigentlich nicht offen über Sex. Und dann ist es noch schlimmer, wenn etwas gegen deinen Willen passiert, wenn du dann darüber sprichst. Deshalb ist es sehr wichtig aufzuzeigen, dass diese Menschen nicht alleine sind und sie sich nicht dafür schämen müssen, dass ihnen etwas geschehen oder angetan wurde. Ich verstehe, dass Betroffene diesen Missbrauch oft nicht öffentlich ansprechen wollen. Ich versuche aber immer aufzuzeigen, dass es nicht an der Person liegt und nicht deren Schuld war. Und wenn nur eine einzige Person sieht und denkt, dass sie nicht alleine ist und es ihr deshalb ein bisschen besser geht, dann hat sich die Aufklärung schon gelohnt.
Ich hab auch eine Art Tagebuch. Da schreibe ich auf, wann mir Frauen von Gewaltübergriffen erzählen. Ich hab das eigentlich nur gestartet, weil mir ständig Menschen geschrieben haben, dass ihnen etwas passiert ist und sie nicht wissen, was sie machen sollen. Und ich habe dann immer versucht, so gut wie möglich zu helfen. Durch das Tagebuch haben sich immer mehr Menschen an mich gewandt, weil sie gesehen haben, dass sie wirklich nicht alleine sind.
Auch wenn man weiß, dass es vielen passiert, ist es trotzdem so weit weg. Man kann sich nicht vorstellen, dass einem oder jemandem in seinem Umfeld das selbst passiert. Diese Vorfälle gibt es in Zeitschriften und Fernsehen, man hört davon, aber es ist nicht greifbar. Wenn es dann doch passiert, ist da auch immer die Schuldfrage ein Thema. Unglaublich, wie sehr das in unseren Köpfen verankert ist, dass wir glauben, Schuld an einem Übergriff zu haben.
wmn: Bezogen auf den Schuldbegriff hört man auch oft die Phrase ‚Was hast du getragen, als du den sexuellen Übergriff hattest‘. Aber eigentlich gibt dein Äußeres ja niemandem die Berechtigung für einen sexuellen Übergriff, richtig?
Julia: Ja! Mir schreiben auch viele weiblich gelesene Menschen Sätze wie „Aber wenn du dich so anziehst, wenn du das so provozierst…“ Das finde ich noch schlimmer, als wenn Männer das sagen. Als weiblich gelesene Frau wurdest du sicherlich schon mal belästigt, aber viele bekommen das tatsächlich nicht mit, da einem eingeredet wird, dass dieses Verhalten bei Männern normal ist.
„Im Endeffekt bist du selbst die Wichtigste Person in deinem Leben“
wmn: Du promotest auf deinem Account oft den Satz „Still not asking for it“. Diese Aussage kann man auch in Verbindung mit sexueller Gewalt und dem Äußeren bringen. Auch deshalb zelebrierst du deinen Körper in schönen, für manche aber freizügigen Fotos auf Instagram. Es gibt ja viele Frauen, die zum Beispiel immer noch dieses Stigma in sich haben, dass sie sich nicht so zeigen dürfen. Was würdest du diesen Frauen raten?
Julia: Ich versuche diesen Personen immer zu sagen, sie sollen das tun, worin sie sich wohlfühlen und nicht das, was ihnen andere erlauben oder was sie über sie denken. Nicht nur darauf bezogen, was man anziehen kann, sondern allgemein was du machen möchtest. Ich versuche Menschen zu raten, sich vorzustellen, wo sie in fünf Jahren sind und ob die Menschen, mit denen man jetzt noch Kontakt hat, dann noch eine Rolle spielen werden. Es wirkt auf Instagram nicht so, aber bei mir ist es natürlich auch so: Die Leute reden, die Leute lästern. Aber ich mache das, was ich machen möchte. Denn im Endeffekt bist du selbst die wichtigste Person in deinem Leben. Wenn es dich glücklich macht, dann mach es einfach, komplett egal, was andere Leute sagen.
wmn: Kommen wir noch einmal zurück zum Alltagssexismus: Hast du da vielleicht ein paar Tipps, wie man sich am besten gegen sexuelle Belästigung schützen oder wehren kann?
Julia: Das ist eine ziemlich schwierige Frage. Sexuelle Belästigung passiert so oft und überall. Ich finde das Wichtigste bei allem ist, sich jemandem anzuvertrauen.
Bei Catcalling sollte man versuchen zu reagieren und nicht den Belästiger zu ignorieren. Man soll noch in der Situation handeln, wenn man den Mut dazu hat und die Person direkt ansprechen. Ohne auf Konfrontation zu gehen, kann man einfach fragen „Was haben sie gesagt?“ und „Das ist übergriffig“. Bei sehr vielen hilft es schon, einfach nur zu benennen, dass die Aktion übergriffig ist. Und ohne die Täter in Schutz nehmen zu wollen: Wir wachsen leider so auf, dass es für Täter normal ist, so mit Frauen umzugehen. Vielen ist es gar nicht bewusst, dass ihr Handeln übergriffig ist. Sie sehen das in Filmen, in Pornos und überall, dass Frauen weniger wert sind. Deswegen ist es wichtig, diese Situation zu analysieren und anzusprechen.
Je nachdem, wie man sexuelle Belästigung definiert und wie schlimm es ist, kann man sich auch an die Polizei wenden. Letztens hat mir eine Followerin erzählt, dass sie auf der Straße war und ihr nachgepfiffen wurde. Sie hat sich umgedreht und eine Gruppe Männer in Uniform gesehen. Auf diesen Anzügen stand die Firma, für die sie gearbeitet haben. Und sie hat dann gleich bei der Firma angerufen und gesagt, wo das passiert ist und dass sie von den Mitarbeitern belästigt wurde. Und sowas ist so, so wichtig und man braucht vielleicht nicht so viel Mut wie bei einer direkten Konfrontation.
Wenn du als Außenstehende Person siehst, dass jemand belästigt wird, dann schreite ein. Man muss nur aufpassen, dass man nicht direkt auf Konfrontation aus ist, weil du nicht weißt, wie dein Gegenüber reagiert. Aber auf jeden Fall eingreifen. Oft reicht es einfach zu sagen „Was ist da los?“ und der Mann fällt so aus seiner ‚Rolle‘, sagt dann „Ach nichts“ und ist schon wieder weg.
Wenn du in einer Menschenmenge bist und dich wirklich jemand verfolgt und aufdringlich ist, ist es wichtig, in der Menschenmenge laut zu adressieren, wer die Person ist. Man sollte dann wirklich etwas sagen wie „Die Person in der blauen Jacke. Hören Sie auf mich zu verfolgen“. So werden andere darauf aufmerksam.
„Wo werden Männer in unserer Gesellschaft diskriminiert? Wo?“
wmn: Männer kommen oft zu dir und sagen, dass du sie diskriminierst und dass ‚nicht alle Männer‘ so ’schrecklich‘ seien. Wie gehst du mit der Kritik um, dass du männerfeindlich bist?
Julia: Ich muss sagen, dass ich früher, als ich noch nicht so viele Follower:innen hatte, wirklich mit denen diskutiert habe. Ich hab mich auf Diskussionen eingelassen, ich wollte unbedingt von meiner Meinung überzeugen, sodass sie einsehen, dass ich doch gar nicht alle Männer hassen kann. Dadurch, dass es dann mehr Follower:innen und dementsprechend mehr Nachrichten geworden sind, kann ich gar nicht mehr mit den Leuten diskutierten. Ich schreibe nur Nachrichten zurück, die lieb sind oder an welche, die etwas brauchen. Und ich verstehe bis heute nicht, wie man denken kann, dass ich Männer diskriminiere. Denn wo werden Männer in unserer Gesellschaft diskriminiert? Wo? Aber dann bringen sie mit verschiedenen Aspekten vor. Ich höre auch ganz oft, das ist mein Lieblingsargument, „Aber Frauen kommen manchmal gratis in den Club“.
wmn: In der heutigen Zeit ist es für eine Frau ja auch unsicher und beängstigend, nachts nach Hause zu gehen. Kannst du uns ein paar Tipps geben, wie man sich geschützter und sicherer auf dem Heimweg fühlt?
Julia: Ich finde es immer sehr traurig, dass solche Tipps immer noch gebraucht werden. Was ich immer mache, ist zu schauen, dass ich nicht alleine nach Hause gehe. Höre möglichst keine Musik, damit du mitbekommst, was hinter dir passiert. Ich habe auch mal gelesen, dass man nicht telefonieren soll, weil du dann abgelenkt bist. Es gibt auch viele Apps, die dir helfen können, zum Beispiel „Wayguard“. Du startest die App und bist dann mit einem Servicemitarbeiter oder einer Servicemitarbeiterin verbunden und wenn das Signal abbricht, rufen sie sofort die Polizei oder dich an, wenn du nicht abhebst.
Die Haare sollte man hochbinden, denn wenn die Haare offen sind, kann dich jemand an den Haaren ziehen und sich daran festhalten. Was auch sehr gut ist, ist das Dabeihaben von sperrigen Gegenständen, Regenschirme zum Beispiel. Es wurden irgendwann mal Vergewaltiger gefragt, wie sie ihre Opfer raussuchen. Viele gaben an, dass sie eine Frau mit Regenschirm wahrscheinlich nicht ansprechen würden, weil sie sich dann eher wehren könnte. Das Wichtigste ist aber noch immer, dass man schaut, nicht alleine unterwegs zu sein. Denn auch wenn du diese ganzen Tipps anwendest… Im Endeffekt wird in einer wirklichen Situation der Täter dir meistens überlegen sein, weil du auch einfach so perplex bist.
Wir brauchen mehr Frauen wie Julia von @trinksaufmich
Durch unser Gespräch mit Julia wurde uns noch einmal klar, wie viel noch im Bereich des Feminismus gemacht werden muss. Doch gerade Frauen wie sie sind so wichtig in unserer Gesellschaft. Wir hoffen, dass viele Menschen sich ein Beispiel an Julia nehmen und gegen sexuelle Gewalt in Zukunft verschärfter vorgehen werden.
Noch mehr inspirierende Frauen gefällig?