Für unsere weekly heroine geht es weniger um das Aufbäumen gegen das Patriarchat, sexistische Männerdomänen oder lautes Protestgebrüll, auch wenn sie all das hautnah miterleben durfte. Jennifer Hosten ließ sich treiben, lächelte in die Kamera und setzte über Nacht einen Meilenstein gegen Rassismus.
Jennifer Hosten kurz & knapp
- Sie wurde auf dem Inselstaat Grenada geboren und ist dort aufgewachsen.
- Sie hat zwei Masterabschlüsse. Einen in Politik und einen in Psychologie.
- Sie arbeitete jahrelang als Diplomatin für Kanada.
- Sie ist die erste Schwarze Miss World-Gewinnerin.
- Ihr Buch “Miss World 1970: How I Entered a Pageant and Wound Up Making History” erschien Anfang des Jahres.
- Der Film “Die Misswahl” dreht sich um die Ereignisse während ihres Triumphes.
Um nachzuvollziehen, wie einmalig ihre Erlebnisse sind, lohnt sich eine kleine Vorgeschichte. Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement) hatte ihre Hochphase hinter sich, stieß jedoch weitere antirassistische Bewegungen und Proteste an, die unter anderem Kritik an der andauernden südafrikanischen Apartheid übten.
Die Kritik am Miss World Contest, der seither stets mit einer weißen Siegerin endete, wurde nur von der Women’s Liberation Movement übertroffen, die sich für Frauenrechte stark machten und deren Ärger sich in einem Wettbewerb entlud, der Frauen über Jahre hinweg wie Objekte behandelte.
Ihr Weg nach London
1970 hatte der Inselstaat Grenada in der Karibik nicht einmal 100.000 Einwohner, da ist Jennifer Hosten gerade einmal 22 Jahre alt. Als amtierende “Miss Grenada” bekommt sie überraschend die Möglichkeit an einer Miss World-Veranstaltung in London teilzunehmen. Sie ergreift die Chance – vor allem um zu reisen, neue Leute kennen zu lernen und im Idealfall das Preisgeld abzuräumen, wie sie in einem Zoom Talk der UN Women erzählt.
Ob sie sich tatsächlich Chancen ausgerechnet hat? 1970 waren die Schönheitsideale eigentlich klar abgesteckt. Große, langbeinige, blonde Damen durften sich die größten Hoffnungen machen, die klare Favoriten ist wenig überraschend die amtierende Miss Sweden, Marjorie Christel Johansson.
Schwarze Frauen wurden aus politischem Druck und Diversitätsgründen eher als Randfiguren dazugestellt, wie das Beispiel Südafrika zeigt. Das Land der Apartheid, musste gleich zwei Anwärterinnen in den Wettbewerb schicken – eine Weiße und eine Schwarze.
Hinter den Kulissen wurde weniger Wert auf den schönen Schein gelegt. In einem Interview erzählte Jennifer Hosten, dass der Chef des Schönheitscontests seine 15 Favoritinnen für eine kleine Generalprobe auswählte, von denen nur “Miss Guyana” dunkelhäutig war. Im Gegensatz zu ihren Leidensgenossinnen gab Hosten nicht so schnell auf. Sie wurde von den Ungerechtigkeiten angestachelt, von denen sie später profitieren sollte.
Miss World is black
„Miss World is black“… war die erste Zeitungsüberschrift, die sie am nächsten Tag lesen durfte. Vollkommen zu Unrecht ist Jennifer Hosten nicht als erste Schwarze Frau zur “Miss World 1970” gekürt worden. Die 100 Millionen Zuschauer rund um den Globus sahen eine wunderschöne Frau in die Kamera lächeln, lediglich der Beigeschmack störte.
Dazu gehörte zum Beispiel, dass der Präsident Grenadas Teil der Jury war. Von einer Verschwörung unter den Schwarzen Jurymitgliedern war die Rede. Dazu wurden die Stimmzettel erst Jahre später veröffentlicht, auf denen Hosten kaum unter den Top 3 landete. Weil sie aber auch nicht auf die hintersten Plätze gewählt wurde, gewann sie durch die Summe ihrer Punkte.
Politischer Druck entschied die Wahl
Die Wahl 1970 hatte mehr etwas von einem Eurovision Song Contest, als von einem Schönheitswettbewerb. Diese Ausmaße realisierte Jennifer Hosten erst später. Trotzdem erkannte sie schon damals die Reichweite als Möglichkeit, eine Botschaft gegen Rassismus zu senden.
Durch ihre Teilnahme und ihren Sieg an einem latent-rassistischen Wettbewerb, lenkte sie die Aufmerksamkeit auf eines der größten Probleme der Menschheit. Auch heute noch nimmt sie an Talk-Runden teil und sensibilisiert Menschen für Ungleichheiten.
Dass sie dafür an einem Schönheitswettbewerb teilnahm, stieß vor allem bei der Women’s Liberation Movement auf wenig Gegenliebe.
„We’re not beautiful, we’re not ugly. We’re ANGRY!“
Dieser Slogan, der Vergleich zwischen Misswahlen und Viehmärkten und die Mehlbomben auf den Moderator Bob Hope, der den Vergleich aufgriff und sich ein “Muh” nicht verkneifen konnte, machten die Women’s Liberation Movement berühmt.
Dass Frauen zu wenig Rechte hatten und gesellschaftlich nicht genug akzeptiert wurden, war auch Jennifer Hosten klar. Hier hören die Gemeinsamkeiten allerdings auf. Sie ist niemand, der sich an Kleinigkeiten aufhält. Ob Frauen nun “Ladies” genannt werden oder nicht, für sie gibt es wichtigere Probleme in Sachen Gleichstellung von Mann und Frau. Ihr entspannter Feminismus machte sie auch im Laufe ihres Lebens nicht zu einer Hauptprotagonistin im Kampf gegen das Patriarchat, sondern zur Kritikerin.
Ihr Hauptanliegen bleibt der Rassismus. Auch heute noch wirft sie Frauenrechtsbewegungen vor, zu wenig für Schwarze Frauen und ihre Anliegen zu leisten.
It’s not about what happens to you it’s about how we overcome it.
Jennifer Hosten hat ihre Chancen genutzt
Heute hat ihre Stimme eine Menge Gewicht. Sie hat viel erlebt und weiß, wovon sie redet. Zwei Masterabschlüsse in Politik und Psychologie, Berufserfahrung im Rundfunk, als Diplomatin, als Psychotherapeutin und Geschäftsfrau.
Das Erfolgsrezept ist dabei ganz einfach. Jennifer Hosten schwamm mit dem Strom, anstatt dagegen anzukämpfen. Sie ist das Paradebeispiel dafür, die eigenen Chancen zu ergreifen und zu nutzen.
Sie versteht die Kritik an unemanzipierten Miss Wahlen und hat trotzdem daran teilgenommen, bekam die Chancenlosigkeit Schwarzer Teilnehmerinnen zu spüren und gewann dennoch und sie erkannte die Unstimmigkeiten an ihrem Sieg und gab den Titel nicht zurück. Das was sie daraus gemacht hat, ist mehr Wert und eine deutlich wichtigere Botschaft an Frauen und Männer gleichermaßen.
Der aktuelle Film beleuchtet die Geschehnisse und Jennifer Hostens Rolle genauer. Was wir von „Die Misswahl“ halten, erfährst du hier.
Feminismus- und Rassismusdebatten sind auch heute noch alltäglich.
Wir verraten dir, was Feminismus eigentlich ist & auf welche Feminismus-Mythen du nicht hereinfallen solltest.
Außerdem zeigen wir dir, wie Corona Rassimus verstärkt hat & wie rassistisch Deutschland ist.