Ich will ehrlich sein: Die Geschichte rund um My Policeman ist eigentlich nur in meinen Fokus geraten, weil Amazon Prime das Buch verfilmte und Harry Styles eine der Hauptrollen übernahm. Ich hatte vorher keine Ahnung davon, wie unglaublich wichtig und herzergreifend diese Geschichte vor allem für die LGBTQIA+-Community ist. Deshalb bin ich umso dankbarer, dass eine meiner besten Freundinnen mir dieses Buch annotiert zu Weihnachten schenkte (mit Harry Styles auf dem Cover, versteht sich).
Aufgrund der Anmerkungen von ihr persönlich konnte ich es gar nicht abwarten, in diese Story einzutauchen. Es hat sich so angefühlt, als würde sie als Miniatur-Person auf meiner Schulter sitzen und mit mir lesen. Und was soll ich sagen? Es ist eines der emotionalsten Bücher, welche ich je gelesen habe und es hat meinen Respekt für die queere Community noch um einiges gesteigert. Warum dies so ist, erkläre ich dir in der heutigen Kolumne.
Trigger-Warnung: In dieser Kolumne (und in My Policeman an sich) werden unter anderem Themen wie Queerfeindlichkeit, Gewalt gegen queere Menschen, Homophobie und emotionaler Missbrauch behandelt. Lies bitte nur weiter, wenn du dich in der Lage dazu siehst.
Die queere Community in den 1950er-Jahren: Ein kurzer, geschichtlicher Abriss
My Policeman spielt hauptsächlich in den späten 1950er-Jahren. Im Roman wird die Dreiecksbeziehung zwischen Tom, Marion und Patrick behandelt. Marion verliebt sich schon zu Beginn des Romans in Tom (wobei man hier fast von einer Obsession ihrerseits sprechen kann). Doch Tom hat nur Augen für Patrick, einen Museumskurator, welcher sich selbst als homosexuell bezeichnet – und mit welchem Tom eine heimliche Affäre eingeht, während er, der Gesellschaft wegen, in eine Heirat mit Marion einwilligt. Doch diese findet irgendwann heraus, dass die beiden eine Affäre haben – und das schreckliche Schicksal nimmt seinen Lauf.
Bis 1967 war Homosexualität laut dem Paragrafen 175 in England strafbar und führte dazu, dass queere Menschen verfolgt, misshandelt und eingesperrt wurden, wenn diese bei homosexuellen Handlungen erwischt wurden. Sie waren sozusagen Außenseiter der Gesellschaft und durften ihre wahre Sexualität nie offen ausleben. Aufgrund dessen flüchteten sich viele Männer in eine Ehe mit einer Frau, während sie hinter verschlossenen Türen Affären mit anderen Männern hatten – wie eindrucksvoll in My Policeman dargestellt wird.
Bis zu 1000 Männer wurden jedes Jahr in Englands Gefängnisse gesperrt aufgrund ihrer Homosexualität. Der Home Secretary Sir David Maxwell Fyfe versprach der Bevölkerung „einen neuen Antrieb gegen männliches Laster“ und dass er „England von dieser Plage befreien wird“. In den Gefängnissen versuchte man dann, die Männer mithilfe von Elektroschock-Therapie oder chemischer Kastration von der Homosexualtiät zu „heilen“.
„My Policeman“: Emotional aufwühlend, unfair und unglaublich berührend
Wie man vielleicht bemerkt, fühle ich sehr leidenschaftlich für dieses Buch – vor allem auch, weil die Handlungen, die vor allem Patrick zugefügt werden, so unglaublich unfair sind. Aber das Buch zeigt trotzdem auf poetische Art und Weise, wie wundervoll queere Liebe sein kann – und wie sehr es sich lohnt, für diese zu kämpfen. Zu Beginn des Romans könnte man etwas abgeschreckt von der kitschigen Art und Weise sein, wie Marion über Tom spricht und keinen anderen Gedanken in ihrem Kopf hat. Doch glaub mir, es lohnt sich, weiterzulesen.
Denn My Policeman ist aus zwei Sichtweisen geschrieben: Aus Marions, welche rückblickend ihre Geschichte aufschreibt und direkt an Patrick adressiert und aus Patricks Perspektive. Hier lesen wir seine Gefühle und Gedanken durch persönliche Tagebucheinträge – was die Emotionen noch einmal größer werden lassen. Denn gerade Patricks Perspektive ist unglaublich poetisch geschrieben und zeigt, wie tief die Liebe zwischen zwei Seelenverwandten sein kann.
Toms Perspektive existiert allerdings nicht, wodurch dieser Charakter beinahe zu einer Projektionsfläche für Marions und Patricks Gedanken und Gefühle wird. Wir wissen also nie, wie genau Tom sich mit dieser gesamten Situation auseinandersetzt – was viel Raum für Interpretation lässt und das ganze nochmal spannender macht.
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So hat „My Policeman“ meine Sicht auf die queere Geschichte verändert
Meine Freundin Annika hat mir dieses Buch zu Weihnachten mit ihren eigenen Anmerkungen geschickt und allein das hat die Lese-Experience von My Policeman noch einmal intensiver gemacht. Denn sie selbst gehört der queeren Community an und ließ mich durch ihre Kommentare an ihren Gedanken und Gefühlen zu dieser Geschichte teilhaben – die teilweise wirklich grausam mit dem Charakter von Patrick umgeht. Doch leider war das die damalige Realität der queeren Menschen.
Mein Respekt für die queere Community ist durch My Policeman noch einmal gewachsen. Allein der Fakt, dass so viele Menschen damals dafür kämpfen mussten, lieben zu dürfen, wie sie wollen, verdient Anerkennung und den höchsten Respekt. Dieses Buch zeigte mir auf eindrucksvolle Weise, wie privilegiert heterosexuelle Menschen sind und wie schnell man nur mit einer Handlung das Leben eines Menschen verurteilen kann.
„My Policeman“ von Bethan Roberts: Lasst uns nicht die Augen vor der Vergangenheit verschließen & es zukünftig besser machen
Heutzutage wird der queeren Community schon viel mehr Respekt entgegengebracht – und trotzdem müssen viele noch immer mit Homophobie im Alltag rechnen. Und damit nicht genug: Auch wenn in vielen Ländern Homosexualität nicht mehr strafbar ist, gibt es auch noch diejenigen, in denen homosexuelle Handlungen noch immer nicht gerne gesehen oder sogar verfolgt werden. Was dazu führt, dass es auch heute noch Menschen wie Tom und Patrick gibt, die sich verstecken müssen – und das nur, weil sie Menschen des gleichen Geschlechts lieben.
My Policeman ist an manchen Stellen nichts für schwache Nerven und behandelt Homophobie in extremer und augenöffnender Weise. Doch gerade deshalb sollte man nicht die Augen davor verschließen und dafür kämpfen, dass es irgendwann eine Zukunft gibt, in welcher niemand mehr Angst haben muss, den- oder diejenige zu lieben, die er oder sie möchte.
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