Während der Pandemie haben sich viele von uns TikTok heruntergeladen. Wir haben uns lustige Videos angeschaut, Tänze geübt und angefangen zu kochen und zu backen. Schon seit einigen Jahren ist Essen ein beliebter Bereich im Internet, es gibt etliche Food-Influencer:innen, die Rezepte teilen und ihren Followern das backen beibringen wollen. Eine dieser Influencer:innen ist Fatmanur Kılıç. Sie hat im Mai 2019 ein Backvideo geteilt, das relativ schnell viral gegangen ist. Bis jetzt hat sie als Kilic-Story über eine Million Follower auf TikTok, hat eine Firma gegründet und ein Rezeptbuch veröffentlicht.
Kilic-Story im Gespräch mit wmn
wmn hat sich bei dem diesjährigen TikTok #ForYou Fest mit der Influencerin und Unternehmerin von Kilic-Story über ihren Werdegang unterhalten.
wmn: Wie wird man Food-Influencer:in?
Fatmanur: Bei mir ist das eine ganz lustige Geschichte, weil ich ganz unabsichtlich zum Influencer geworden bin. Vor vier Jahren habe ich angefangen, ein Video für mich selbst zu schneiden, aber aus Versehen auf TikTok hochgeladen. Ich dachte, ich hätte es gespeichert, aber stattdessen wurde es hochgeladen und ich bekam tagelang Benachrichtigungen. Zuerst dachte ich, es sei nur Werbung und wollte die App schon löschen.
Doch irgendwann bin ich dann in die App gegangen und habe festgestellt, dass mein Video viral gegangen war. In dem Video hatte ich den Aufbau einer Torte gefilmt und dachte, da ist vielleicht Potenzial. Warum versuche ich es nicht mit TikTok?
Danach habe ich angefangen, Food- und Back-Tutorials zu machen und mache das jetzt seit vier Jahren. Inzwischen bin ich auch Unternehmerin und habe meinen eigenen Online-Shop, Kilic-Story.
wmn: Wolltest du schon früher Unternehmerin und Influencerin werden?
Fatmanur: Beides war nicht mein Plan. Früher war ich sehr zurückhaltend und schüchtern. Das Internet hat mir jedoch ein gewisses Selbstbewusstsein gegeben. Durch die vielen Zuschauer wurde ich voll motiviert und so wurde ich bekannt im Netz. Als Person stelle ich mich nicht gerne in den Vordergrund, aber man sieht mich. Das war jedoch nie mein Plan. Ich hatte gedacht, ich würde weiterhin als Konditorin arbeiten.
Influencing passierte dann aus Versehen, aber es macht mir total Spaß. Ich hätte auch niemals gedacht, dass ich Unternehmerin werden würde. Durch diese Plattform wurde ein Geschäftsmann auf mich aufmerksam, der selbst eine große Firma mit Backartikeln hat. Er fragte mich nach ein paar Treffen, ob ich Lust hätte, mit ihm eine Firma zu gründen. Ich bekam Kopfschmerzen und war danach schlecht gelaunt, weil es zu viel für mich war.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich das schaffen würde. Aber tatsächlich haben wir vor eineinhalb Jahren das Start-up gegründet und sind sehr erfolgreich. Das war nicht erträumt und es war nie mein Ziel, aber es ist schöner, als alles, was ich mir jemals vorgestellt hatte.
wmn: Das Internet ist ja ein polarisierender Ort, in dem viel gestritten wird. Wie gehst du mit negativen Kommentaren um?
Fatmanur: Ich bekomme natürlich auch Hasskommentare im Internet. Ich denke zwar nicht, dass ich so viele bekomme wie zum Beispiel andere Influencer:innen, weil ich backe. Es kommt aber schon mal vor, dass mein Aussehen oder das Kopftuch kommentiert und beschimpft werden.
Während des Ramadan hatten wir eine Kampagne mit TikTok. Da wurden auch solche Kommentare abgegeben. „In Deutschland gibt es keinen Ramadan“, oder andere Beleidigungen gegenüber Muslimen. Es waren schon heftige Kommentare, aber sie belasten mich nicht so sehr. Hasskommentare kommen meistens von Menschen, die nicht viel Wissen haben, und deshalb nehme ich mir das nicht zu Herzen.
Ein Ziel, was ich mir mittendrin gesetzt hab, war, dass ich als Muslima Frau mit Kopftuch anderen Frauen Mut machen wollte. Viele trauen sich nicht unbedingt, sich so zu präsentieren. Ich zeige mich selber eigentlich auch nicht so oft, aber ich bin in jedem Video zu sehen. Ich wollte damit anderen zeigen, dass sie keine Angst haben müssen. Zudem wollte ich den Menschen, die Hasskommentare hinterlassen, zeigen, dass ich auch da bin – vielleicht sogar in einer höheren Position als sie.
Durch diese ganze Internetgeschichte bin ich jetzt auch öfter beim ARD Buffet Live am Backen und hab auch beim „Das große Backen: Die Profis“ mitgemacht. Das war ein tolles Gefühl für mich, mit dem Kopftuch dazustehen und zu zeigen, dass wir auch da sind. Klar, da gab es auch wieder sehr viele dumme Kommentare auf den Plattformen, aber die haben mich dann tatsächlich gestärkt in dem, was ich mache. Ich bin echt glücklich darüber.
„Das war ein tolles Gefühl für mich, mit dem Kopftuch dazustehen und zu zeigen, dass wir auch da sind.“
wmn: Unternehmerinnen gibt es immer noch seltener als Unternehmer. Wie fühlt es sich an, eine Unternehmerin zu sein, die allein durch ihr Geschlecht und zudem auch noch ihre Religion anders ist als der stereotypische Unternehmer, der meist älter, weiß und männlich ist?
Fatmanur: Die Reaktionen meiner Community sind wirklich gut. Es fühlt sich mega cool an. Aber man merkt, dass man sich durchboxen muss, das ist überall so. Dank meines Geschäftspartners und meinem Ehemann, der mich zu Hause auch mega unterstützt, fällt es mir leichter als anderen.
Ich weiß nicht, wann ich zuletzt Wäsche gewaschen und zusammengelegt habe. Der Staubsauger läuft viermal am Tag und ich meckere schon, dass er mit dem Putzen aufhören soll. Er unterstützt mich sehr.
wmn: Das hört sich ja wahnsinnig progressiv an. Das macht dich ja eigentlich zu einem Vorzeigebild, oder?
Fatmanur: Er findet es auch gut, aber wir nehmen ihn jetzt auch mit ins Boot. Ich habe jetzt auch Mitarbeiter:innen und wir sind langsam ein Team, ein Familienunternehmen. Das ist vielleicht ganz gut.
wmn: Was ist dein Ziel? Möchtest du weiterhin auf TikTok aktiv sein oder ist der Plan, den kompletten Fokus auf das Unternehmen zu legen?
Fatmanur: Eine Mischung. Ich möchte nicht mit TikTok aufhören, weil ich es sehr positiv finde, wie sich alles entwickelt hat. Ich mag es auch, den Menschen Sachen beizubringen. Spätestens, wenn man Kinder hat, muss man backen können, allein schon, weil die immer Kuchen mit in den Kindergarten bringen sollen.
Ich möchte auch weiterhin einfache Rezepte teilen, die jede:r nachmachen kann. Ich habe mir das ja auch selbst beigebracht. Natürlich möchte ich meine Firma auch weiter aufbauen. Die Kombination, die ich habe, ist also ganz cool. Ich kann meine Sachen auf diesen Plattformen vorstellen und habe meine eigene Marke daraus gegründet. Kilic-Story ist auf TikTok entstanden und ist jetzt meine Marke. Das ist sehr schön für mich.
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