Warum muss das mit der Liebe immer kaputt gehen? Lernen wir nie etwas aus vergangenen Beziehungen oder tanzen wir immer dieselbe Choreografie? Zu dieser Frage interviewten wir die Weekly Heroine Katja Lewina, eine Frau, die uns durch ihre Überzeugung oder durch ihre Geschichte besonders inspiriert hat. Diese Frage stellt sie sich selbst am Anfang ihres neuen Buches, in dem sich mit zehn ihrer Ex-Freunde noch einmal traf.
Katja Lewina kurz und knapp:
- Sie ist freie Autorin mit den Schwerpunktthemen Liebe, Beziehung, Sex und Familie.
- Vor zwei Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch mit dem Namen „Sie hat Bock“, in dem sie über alle Formen des Sexismus im Thema Sex aufklärt. Dabei fließen auch eigene Erfahrungen und Erlebnisse mit ein.
- Das neueste Buch wiederum mit dem Titel „Ex“ dreht sich rund um das Thema Liebe und um vergangene Beziehungen. Warum sie gescheitert sind und was man aus ihnen lernen kann.
„Es war leichter, über meine Beziehungen zu schreiben als über Sex.“
wmn: Hallo Katja, schön, dass du hier bist. Kannst du uns aus dem Stehgreif eine Gemeinsamkeit unter allen Ex-Freunden nennen, die sie alle in dein Buch gebracht hat?
Katja Lewina: Ich würde sagen, das waren die zehn wichtigsten Männer meines Liebeslebens. Das sind jetzt auch nicht alles gewachsene Beziehungen gewesen. Nicht alles große Lieben, aber doch alles Männer, die für mich etwas bedeutet haben, die mich durch einen bestimmten Lebensabschnitt begleitet haben. Die mir neue Herausforderungen, neue Fragen, neue Erkenntnisse gebracht haben für mein Leben. Und genau deswegen sind es diese zehn.
wmn: in den ersten zwei Büchern geht es ja vorrangig um deine Erfahrungen rund um Sex. In „Ex“ geht es aber um Liebe und Emotionen. War das schwieriger zu Papier zu bringen als das Thema Sex?
Katja Lewina: Es war sogar tatsächlich leichter über das Beziehungsthema zu schreiben. Wahrscheinlich weil mir das so unter den Nägeln gebrannt hat. Dieses Experiment startete ja mit einem Liebeskummer, startete mit einem Gefühl von eigenem Versagen in der Liebe und ich wollte so dringend herausfinden, was ich eigentlich falsch mache und was ich besser machen kann. Und deswegen hatte ich auch den totalen Drive da drin.
Trotzdem hat es sich für mich sehr viel schwieriger angefühlt, es zu veröffentlichen, weil ich mich damit gefühlt viel verletzlicher mache, als wenn ich über meine Sexualität schreibe. Wir wissen alle, wie ungern wir darüber reden mit Menschen, die sich jetzt nicht in unserem engsten Freundeskreis bewegen. Aber gerade diese eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten nach außen zu kehren, Erkenntnisse über meine Psyche für alle Welt lesbar zu machen und mich auch ein Stück weit unsympathisch zu machen, das war ganz schön hart.
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wmn: Ich kann mir auch vorstellen, dass man das Thema Liebe weniger wissenschaftlich fundieren kann als Sexualität.
Katja Lewina: Zu Liebe und Beziehungen gibt es ja Statistiken und Studien und auch da kann man sicherlich einigen Sexismus finden. Das war ja mein Steckenpferd, was die Sexualität angeht, dass ich geschaut habe: wo gibt es eigentlich Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder männlich und weiblich sozialisierten Personen und wie kann man die vielleicht auflösen?
Wie können wir uns davon befreien, wie wir sozialisiert worden sind? Also da gibt es auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Ich versuche auch darauf einzugehen und an der einen oder anderen Stelle Ausflüge in Kulturgeschichte oder Wissenschaft oder Psychologie zu machen. Aber es bleibt letzten Endes doch ein sehr persönliches Buch.
„Ich rede gerne mit fremden Menschen über private Dinge.“
wmn: Als Leserin deiner Texte bekommt man durch die Offenheit, mit der du schreibst, häufig das Gefühl, du sprichst wie mit einer engen Freundin statt zu einem fremden Publikum. Wie war es im Umkehrschluss, von fremden Personen Fragen zu deinem Liebesleben gestellt zu bekommen?
Katja Lewina: Eigentlich sehr schön. Ich mache also ich mache das gerne, mit Fremden über private Dinge zu reden, weil ich eigentlich mir wünsche, dass diese Dinge gar nicht privat sein müssten. Was ich ein bisschen schwierig finde, gerade in so Interviewsituation, wo Leute mich fragen „Was hast du denn genau gelernt? Jetzt mal die drei Punkte, auf die besonders toll waren oder besonders wichtig“. Man eine Anleitung von mir haben dafür, wie das auch für sie funktionieren kann. Und an diesen Punkten scheitere ich immer wieder.
Ich versuche natürlich auch, meine Erkenntnisse zu teilen. Und das merkt man auch in dem Buch, dass ich viele Dinge gelernt habe. Aber das sind eben Dinge, die für mich gelten, die ich so erlebt und angenommen habe für mich. Da können wir unterschiedliche Muster haben, die unsere Beziehungen scheitern lassen. Für viele von uns gilt das ja, dass wir uns von einer Beziehung zur anderen hangeln und nicht so richtig ankommen wollen, auch wenn wir uns das so sehr wünschen.
wmn: Also geht es allgemein um das Thema zwischenmenschliche Beziehungen führen. Warum kamen denn keine Frauen im Buch vor, mit denen du mal befreundet warst?
Katja Lewina: Also mir ging es in erster Linie gerade um romantische Liebe, weil ich in diesem schrecklichen Liebeskummer befand. So hatte es mir total auf der Seele gebrannt, eben meine Ex-Beziehungen abzuklappern. Meistens ist es zumindest so, dass unsere intimsten Beziehungen eben in einem Partner oder einer Partnerin stattfinden und nicht in einer Freundschaft. Ich habe mich auf den Bereich fokussiert, an dem ich merkte, da habe ich eine Schwierigkeit und mit meine Freundinnen habe ich lange nicht solche Probleme, wie ich sie in meinen Liebesbeziehungen hatte.
„Man kann sich durch Andere selbst auf die Schliche kommen.“
wmn: Zu der Idee, alle Ex-Partner nochmal anzusprechen, würden viele Menschen erstmal sagen, das sei purer Masochrismus. Was wäre dein erstes Gegenargument?
Katja Lewina: Ich würde ihn erstmal recht geben. Also es war echt ganz schön hart. Ich war auch wirklich überrascht davon, wie viel Groll und alte Verletzungen noch in den Menschen teilweise über Jahrzehnte gespeichert bleiben kann. Aber ich habe so unglaublich viel davon mitgenommen, weil wir uns in unseren alten Beziehungen immer um uns selbst kreisen. Meistens halten wir uns ja für ziemlich dufte Typen und denken, wir sind super korrekt. Aber von außen einen Spiegel vorgehalten zu bekommen, jemand, der uns sagt „Hey, vielleicht war es ein bisschen anders“ ist super spannend. Man kann sich selber auf die Schliche zu kommen und sich durch die Augen eines anderen oder einer anderen sehen.
Zweitens finde ich, diese Idee von die Vergangenheit aufräumen hat wahnsinnig viel Kraft und Potenzial, uns zu erleichtern. Ich habe eine Entlastung bekommen, weil ich konnte mich aussprechen. Ich habe neue Freundschaften gewinnen können. Sonst heißt es ja: „Wenn es zu Ende ist, ist es zu Ende.“ Aber es ist großartig, nachher noch Freunde zu bleiben. Also ich habe jeden Schmerz, würde ich sagen, von Jedem gut abbekommen.
wmn: Warum hast du dich denn nicht nur dazu entschieden, dieses Experiment für dich zu machen, sondern es auch einem Leserpublikum zu teilen?
Katja Lewina: Ich hatte ein bisschen Glück mit meinem Beruf, alles direkt schriftlich zu verarbeiten, was ich erlebe. Und das habe ich immer schon so gemacht. Früher habe ich einfach Tagebuch geschrieben oder irgendwelche Kurzgeschichten, dann Beiträge für Magazine und jetzt eben Bücher. Insofern lag es ziemlich nahe, dass alles, was ich erlebe, irgendwann wahrscheinlich zwischen zwei Buchdeckeln zu finden sein wird. Mir war auch klar, dass das einfach eine gute Story ist und ich erzähle gerne Gutes.
wmn: Glaubst du nach diesem Erlebnis mehr an die Liebe und vor allem die standhafte Liebe? Oder bist du eher desillusioniert?
Katja Lewina: Alles davon. Ich habe immer schon an die Liebe geglaubt, aber jetzt eigentlich noch viel mehr. Ich glaube, ich glaube an die Liebe als eine sehr, sehr starke Energie zwischen zwei Menschen und die muss nicht für immer sein. Es ist ja im Grunde eine kulturelle Errungenschaft. Die lebenslange monogame Ehe, die gab es nicht schon immer. Es ist ein natürliche Verhalten der Menschen, sich Partner oder Partnerinnen zu suchen für eine kurze Zeit und auch nicht unbedingt treu zu sein.
Die Ehe ist aber ein patriarchales Konzept, und ich glaube, dass es gelingen kann für manche Menschen. Wir sind zum Glück heute so frei, entscheiden zu können, nicht in einer schlechten Beziehung drin bleiben zu müssen. Allerdings könnten wir dadurch die Fähigkeit verloren haben, uns auf Beziehungen einzulassen und suchen immer nach etwas Besserem.
Das ist vielleicht die Kehrseite der Medaille. Aber ich glaube, es liegt in unserer Hand, uns bewusst für Beziehungen zu entscheiden, genauso wie wir uns bewusst dagegen entscheiden können, in einer Beziehung zu bleiben, die uns nicht gut tut. Ich glaube, das ist einfach eine Frage von persönlicher Reife und von Wachstum.
wmn: Damit schneidest du schon deine Lehren am Ende des Buches, in denen dudeinen Le ser:innen ein paar Tipps für die Liebe mitgibst. Geht es dabei aber nicht auch um Selbstliebe statt der Liebe zweier Personen?
Katja Lewina: Ja, aber wie oft konterkarieren unsere Beziehungen und unsere Selbstliebe. Da muss ich nicht nur von mir selber sprechen, sondern ich beobachte vor allem bei Frauen, dass sie Männern hinterherlaufen und sich von ihrer Aufmerksamkeit abhängig machen. Dass sie von Beziehung zu Beziehung gehen und sich einfach wertlos fühlen ohne Mann an ihrer Seite. Das sind alles anerzogene Muster, die es uns wahnsinnig schwer machen, mit uns glücklich zu werden.
Ich würde sagen, das ist wirklich ein lebenslanger Prozess, der ist nicht mit einem Mal ein bisschen Therapie oder mit einem Exfreunde abgeschlossen ist, sondern nur, wenn wir mit uns selber im Reinen sind. Je mehr wir das sind, desto besser können wir eine gute Beziehung führen.