Wie oft habe ich mich schon stundenlang scrollend vor dem Handy gesehen, ein TikTok nach dem nächsten schauend, während die Stunden verstrichen und der Abend, den ich eigentlich bewusst lesend verbringen wollte, auch schon wieder zu Ende ist. Sicherlich hast du etwas in dieser Art auch schon einmal getan. Doch wusstest du, dass du genau in diesem Moment Eskapismus betrieben hast? Dass du der Realität entflohen bist, ohne es direkt zu merken? Wir erklären dir, was es mit dem Begriff Eskapismus auf sich hat und wie du die Realitätsflucht unter Kontrolle bekommst, bevor es gefährlich wird.
Trigger Warning: In diesem Artikel werden Dinge wie Traumata, Depressionen und psychische Erkrankungen behandelt.
Alles zum Thema „Eskapismus“
Eskapismus: Was bedeutet das?
Eskapismus. Das Wort kommt laut dem Duden von dem englischen Wort „to escape“, was so viel wie „entfliehen“ bedeutet. Und genau das ist auch der Kern des Begriffes. Es handelt sich hierbei um ein Verhalten, der „Realität und ihren Anforderungen in Illusionen oder in Zerstreuungen und Vergnügungen“ zu entfliehen. Eskapismus kann man also auch als direkte Realitätsflucht bezeichnen.
Menschen, die ein eskapistisches Verhalten an den Tag legen, fliehen also mit voller Absicht aus den Geschehnissen der Realität in die Welt der sozialen Medien, in Bücher, Filme oder sonstige Scheinwelten. Aber auch emotionales Essen, Flucht in die Arbeit oder haltloser Konsum sind Arten von Eskapismus.
Realitätsflucht ist nötig, aber …
Viele werden jetzt sicherlich sagen, dass so eine Realitätsflucht nötig und auch gut ist und ich stimme in vollem Maße zu. Wir brauchen Dinge, die uns von den Geschehnissen der Weltgeschichte ablenken und uns helfen, einfach aus dem Hier und Jetzt für eine Zeit zu verschwinden.
Für einige Zeit verschwinden auf diese Weise Probleme, Sorgen, Verpflichtungen und Co. Aber das ist es eben: Sie sind immer noch da. Und wenn man sich nur in ‚andere Welten‘ flüchtet, kann das richtig gefährlich werden. Eskapismus beschreibt nicht nur die Realitätsflucht an sich, sondern das Phänomen, das eintritt, wenn man die Wirklichkeitsflucht zu exzessiv betreibt.
Das sind die Auslöser und Ursachen für Eskapismus
Neben dem ’normalen‘ Alltag voller Medienangebote, die einen regelrecht dazu einladen, der Realität zu entfliehen, gibt es viele seelische Faktoren, die zu einem Eskapismus führen und einer ‚ungesunden‘ Art der Realitätsflucht:
- Minderwertigkeitskomplexe: Wenn du davon überzeugt bist, nicht genug und gut für diese Welt zu sein, flüchtest du dich vermutlich in andere Realitäten, wo du akzeptiert wirst, wie du bist.
- Hohe Anforderungen im Leben: Stress führt immer zu einem gewissen Wunsch nach Ablenkung und dem Entfliehen.
- Starke Unterforderung im Leben: Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein. Wenn dir dein Leben langweilig vorkommt, suchst du dir Ablenkungen in Form von Aufregung und Spaß.
- Unzufriedenheit: Wenn du mit deinem Leben unzufrieden bist und nicht weißt, wie du etwas verändern kannst, reagieren viele Menschen mit Realitätsflucht.
- Traumata und Schicksalsschläge: Wer schreckliche Dinge erlebt hat, der nutzt den Eskapismus, um die Trauer zu umgehen. Wenn dies der Fall ist, solltest du dir unbedingt Hilfe suchen, um deine Traumata aufzuarbeiten, damit sie dich nicht von innen auffressen.
- Psychische Erkrankungen: Auch Krankheiten wie Burnout oder Depressionen rauben dir viel Kraft und auch die Möglichkeit, dich mit der Realität zu befassen. Auch hier solltest du dir unbedingt Hilfe suchen.
Hinweis: Du weißt nicht, wo du dir Hilfe suchen kannst und fühlst dich mit deinen Depressionen alleine? Dann rufe die Telefonseelsorge an, die dir anonym helfen kann: 0800 1110111
Toxischer Eskapismus: Die Anzeichen, dass du der Wirklichkeit zu viel entfliehst
Wie ich schon vorher erwähnt habe, ist ein gesundes Maß an Realitätsflucht gut und auch wichtig, damit wir einmal abschalten können und nicht immer präsent sind. Doch irgendwann kann sich die Wirklichkeitsflucht in einen toxischen Eskapismus verwandeln. Die folgenden Anzeichen sprechen für den Eskapismus:
- Du bist in vielen Punkten unzufrieden mit dir und deinem Leben und wirst erst glücklicher, wenn du dich ablenken kannst.
- Du beschäftigst dich nicht mit der Gegenwart und dem Hier und Jetzt, sondern lenkst dich meistens von diesen Gedanken ab – und das schon seit Monaten.
- Du verbringst die meiste Zeit mit Aktivitäten, die dich von der Realität fernhalten.
- Das Highlight deines Tages ist eine Aktivität, welche dich von der Realität ablenken kann.
- Du vernachlässigst deine Freund:innen und Familienmitglieder.
- Du kommst bestimmten Verpflichtungen nicht mehr nach, weil du dich zu sehr mit den Aktivitäten beschäftigst, die dich von der Wirklichkeit ablenken.
- Du strebst nicht mehr nach Zielen und hast auch keinen Wunsch, gewisse Ziele zu haben.
- Deine Probleme löst du nicht durch Konfrontation, sondern durch ständige Ablenkungen.
- Haushaltsaufgaben oder Uni-Sachen bleiben auf der Strecke.
- Du flüchtest dich im Alltag immer mehr und mehr in Tagträume und Wunschvorstellungen.
So entkommst du dem Eskapismus & kontrollierst ihn
Wie du siehst, kann Eskapismus zum ernsthaften Problem werden und im schlimmsten Fall in Krankheiten enden. In schwierigen Phasen ist es einfacher gesagt als getan, wenn die Rede von der Kontrolle über den Eskapismus ist. Man möchte dem emotionalen Druck entfliehen und für ein paar Momente einfach nur unbeschwert sein. Das ist auch in Ordnung und okay. Damit die Wirklichkeitsflucht allerdings nicht überhandnimmt, kannst du dich an folgenden Tipps orientieren.
- Analysiere dein Verhalten. Wie viel Zeit verbringst du wirklich mit Ablenkungen? Fliehst du den Großteil deines Tages in Scheinwelten? Sei ehrlich mit dir selbst.
- Hinterfrage, ob dein Verhalten negative Konsequenzen hat. Haben sich deine Freund:innen von dir abgewendet, weil du nur noch mit Tagträumen beschäftigt bist? Leidet dein Job unter der Realitätsflucht? Auch hier gilt es sich bewusst einzugestehen, welche Folgen der Eskapismus für dein Leben hat.
- Frage dich, was dir in deinem Leben nicht gefällt. Menschen, die ein eskapistisches Verhalten an den Tag legen, sind meistens nicht glücklich. Denn wer glücklich ist, muss der Realität nicht entfliehen. Frage dich also, was dich davon abhält, im Hier und Jetzt zu leben und was dir fehlt.
- Plane Veränderungen. Veränderungen machen vielen Menschen Angst. Aber sie sind auch wichtig, um neue Lebensabschnitte zu beginnen. Überlege dir also, was du tun kannst, damit dein Alltag glücklicher aussieht.
- Kontrolliere die Zeit, die du mit Ablenkungen verbringst. Um das zu tun, kannst du dir kleine Zeitfenster basteln, mit welchen du dir bewusst Zeit nimmst, wann du der Realität entfliehst und wann nicht. Natürlich braucht es dafür Selbstdisziplin. Aber: ein Schritt nach dem anderen.
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Alternativen zum exzessiven und toxischen Eskapismus
Wie du siehst, ist das Wichtigste bei der Kontrolle des Eskapismus, dass man ehrlich mit sich selbst ist. Für viele ist das schwierig und auch das ist absolut in Ordnung. Für diejenigen habe ich noch ein paar Tipps, wie man den Eskapismus in positive Dinge umwandeln kann.
Bewusste Entspannung ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Meditationen oder Atemübungen (zum Beispiel mit der Yoga Atmung) können dir helfen, dich zu entspannen und nur auf dich selbst zu konzentrieren. Bleib bei dir und drifte nicht ab. Eine weitere Möglichkeit ist die Flucht in die Natur. Ein Spaziergang kann dir da sehr viel helfen oder auch eine Runde joggen. Auch kreative Aktivitäten wie Malbücher für Erwachsene oder das Schreiben eines Dankbarkeitstagebuchs können den Eskapismus abmildern.
Dem Eskapismus zu entfliehen ist in einer mediengeprägten Gesellschaft mit seinen vielen Verlockungen nicht einfach. Jedoch ist es möglich, wenn man sich bewusst macht, wie man handelt und welche Verhaltensmuster man an den Tag legt. Und vergiss nicht: Realitätsflucht ist erlaubt und auch erwünscht. Es darf nur nicht dein Leben in einer negativen Weise beeinträchtigen.