Viele kennen diese Situation: Man liegt nichtsahnend im Bett, hängt seinen Gedanken nach und plötzlich fängt der/die Partner:in an, vor sich hin zu brabbeln. Was zunächst etwas gruselig wirkt, wird schnell amüsant. Was Reden im Schlaf für den Körper bedeutet und welche anderen Schlafphänomene es gibt, haben wir einen Experten gefragt. Sei gespannt!
Reden im Schlaf: Sind deine Geheimnisse in Gefahr?
Etwa 20 bis 45 Prozent der Erwachsenen reden gelegentlich bis regelmäßig im Schlaf. Das Phänomen ist also weit verbreitet, aber dennoch nicht besonders gut erforscht. Dass Fieber, die Einnahme starker Medikamente, zu viel Alkohol, Drogenkonsum, Stress oder psychische Belastung das Phänomen begünstigen können, haben die Forschenden bereits herausgefunden. Ob jedoch auch eine genetische Komponente eine Rolle spielt, ist nicht vollends erforscht.
Wir haben Prof. Dr. phil. Michael Schredl, Diplom-Psychologe und Somnologe des Central Institute of Mental Health Medical Faculty Mannheim über verschiedenste Schlafphänomene befragt.
wmn: Herr Dr. Schredl, muss man Angst haben private Dinge im Schlaf auszuplaudern?
Prof. Dr. Schredl: In der Regel nein. Bei fast allen Menschen kann man nichts verstehen, weil die Sprechmuskulatur zu entspannt ist. Das Sprechen folgt dem Traum und das meist nur in Fetzen. Ganz selten gibt es länger zusammenhängende Stücke. Die Idee, dass man eine solche Person ausfragen kann, ist Mythos. Denn sie hört das Gefragte nicht.
„Es kommt zu einem unvollständigen Erwachen des Gehirns, sodass es nur teilweise leistungsfähig ist.“
wmn: Es gibt viele verschiedene „Schlafphänomene“. Wo zum Beispiel liegt der Unterschied zwischen Schlafwandeln und Schlaftrunkenheit? Oder sind die Übergänge fließend?
Prof. Dr. Schredl: Pavor nocturnus, also Nachtschreck, Schlafwandeln und Schlaftrunkenheit werden zu den NREM-Parasomnien gezählt und sind sehr eng verwandt. Die Grundidee ist, dass es zu einem unvollständigen Erwachen des Gehirns kommt, sodass es nur teilweise leistungsfähig ist. Sehen, Laufen und einfache Dinge tun ist möglich, Gesichter erkennen oder einen Überblick zu bekommen nicht.
Der Unterschied zwischen Schlaftrunkenheit und Schlafwandeln ist, dass der Schlafwandler das Bett verlässt, während die Person mit Schlaftrunkenheit im Bett bleibt und dann weiterschläft oder ganz aufwacht. Beim Pavor nocturnus kommen noch große Angst oder Panik dazu.
wmn: Es heißt, nur etwa 1-3 % der Erwachsenen schlafwandeln. Kann diese Schlafstörung so plötzlich wieder gehen, wie sie gekommen ist?
Prof. Dr. Schredl: Meistens ist es eine Kombination zwischen Veranlagung (hoher Tiefschlafanteil) und Stress. Es gibt Patienten, die lange ruhige Phasen haben, und es wieder vermehrt auftritt, wenn Stress da ist.
Aufgepasst: Du hast viel Stress? Dann schau dir doch mal diese pflanzlichen Mittel gegen Stress an. So kannst du dem Schlafwandeln und Reden im Schlaf frühzeitig vorbeugen.
„Hilfe ist dann nötig, wenn es zu gefährlichen Handlungen kommt.“
wmn: Was machen die meisten Schlafwandler:innen im Schlaf? Kommt es oft zu gefährlichen Handlungen?
Prof. Dr. Schredl: Nein. Die meisten Schlafwandler machen ganz einfache Dinge, die sie auch tagsüber tun würden. Alltägliche Dinge wie zum Beispiel Herumlaufen, Licht anmachen, Möbelverrücken und Fenster öffnen sind am häufigsten. Es kann aber auch gefährlich werden, wenn beispielsweise die Wohnung verlassen wird.
wmn: Ab wann sollte sich ein:e Schlafwandler:in in professionelle Behandlung begeben und wie lange macht es Sinn, sich „selbst zu therapieren“?
Prof. Dr. Schredl: Hilfe ist dann notwendig, wenn es zu gefährlichen Handlung kommt, auch wenn diese selten auftreten.
Eine Entspannungsübung, die regelmäßig vor dem Zubettgehen (nicht im Bett liegend) durchgeführt wird, kann aber auch sehr viel bewirken. Eine Dauer von etwa zehn Minuten ist ausreichend. Da das Erlernen etwas Zeit benötigt, würde ich von zwei bis drei Monaten regelmäßigem Üben ausgehen, bevor man sicher sein kann, dass es nicht den gewünschten Effekt bringt.
Reden im Schlaf: Es wird unfreundlich!
Zum Glück: Reden im Schlaf und auch andere Schlafphänomene sind in den meisten Fällen ungefährlich. Trotzdem wollende Forschende diesen Parasomnien weiterhin auf den Grund gehen. In Paris wurden deshalb 232 Menschen in ein Schlaflabor eingeladen, um zu überprüfen, was sie im Schlaf von sich geben. Das Ergebnis ist erstaunlich: Während etwa 60 Prozent unverständlich vor sich hin plapperten, benutze jede:r Zehnte Kraftausdrücke und Schimpfwörter. Die Forschenden gehen davon aus, dass die Hemmschwelle im Schlafzustand sinkt und man deshalb eher mal richtig vom Leder zieht.
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