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Ann-Sophie Claus: So kämpft The Female Company gegen überholte Perioden-Tabus

Ann-Sophie Claus & Sinja Stadelmaier haben The Female Company gegründet und machen Tampons sexy – Das Interview

Ann-Sophie Claus
Ann-Sophie Claus ist unsere weekly heroine! ...Und Co-Gründerin von The Female Company. Foto: philkoehler.com [M] /

In der Welt wimmelt es von starken und beeindruckenden Frauen, die eine solche Zugkraft besitzen, dass sie uns stetig inspirieren und empowern. Und jede Woche stellen wir euch eine von ihnen in unserer Rubrik weekly heroine vor.

Diese Woche heißt unsere Heldin Ann-Sophie Claus. Sie ist Co-Gründerin von The Female Company und verrät uns im Interview, wie sie seit Tag eins gegen Period-Shaming kämpft. Außerdem gibt sie spannende Einblicke in Kampagnen und die Zukunft des Unternehmens. 

Sinja & Anni
Sinja Stadelmaier (l) & Ann-Sophie Claus (r) haben 2018 gemeinsam The Female Company gegründet.(Photo: Copyright 2020. All rights reserved. Linda Ambrosius)

Ann-Sophie Claus von The Female Company – kurz & knapp

  • Ann-Sophie Claus hat im Jahr 2018 zusammen mit Sinja Stadelmaier das Unternehmen The Female Company gegründet.
  • Ihre klare Mission: Tabus brechen & die „Periode sexy machen“
  • Ihr Unternehmen vertreibt Bio-Tampons hergestellt ohne Chemikalien und Pestizide, die bis vor die Haustür geliefert werden. Bei Wunsch auch im Abo.
  • Doch The Female Company kann mehr als nur Tampons verkaufen. Was ihnen sonst noch wichtig ist, liest du im Interview mit Anni!
Anni & Sinja
Sinja & Anni auf ihrer Reise durch Indien, die alles verändern sollte.(Photo: The Female Company)

Ann-Sophie Claus über Period Shaming & andere überholte Tabus

Wmn konnte ein schriftliches Interview mit Ann-Sophie Claus ergattern und sie über ihr Unternehmen, einzelnen Kampagnen und langfristige Ziele ausquetschen!

wmn: War es schon immer euer Ziel, irgendwann ein eigenes Unternehmen zu gründen? Was habt ihr davor gemacht? 

Ann-Sophie Claus: Ja. In meiner Familie sind alle selbstständig und mir war klar, dass ich es in keinem Konzern in einem 9 to 5 Job aushalten würde. Dass es ein eigenes Unternehmen sein würde, hat sich aber erst durch meinen Einstieg in zwei Food-Startups entwickelt. Sinja war parallel in einer Markenberatung tätig und so konnten wir unsere Expertise aus FMCG*-Startup und Marketing bei The Female Company perfekt vereinen.

*Fast Moving Consumer Goods

Viele junge Mädchen können kaum über ihre Periode sprechen.

–Ann-Sophie Claus

wmn: Welchen Schlüsselmoment gab es, in dem ihr wusstet: Hey, wir gründen jetzt ein Tampon- Unternehmen? 

Ann-Sophie Claus: Sinja und ich waren auf Reisen in Indien und haben dort miterlebt, welche gesellschaftlichen Auswirkungen ein Tabu wie die Periode haben kann. Wenn Frauen und Mädchen ihre Periode haben, dürfen sie dort nicht in heilige Stätten oder zur Schule gehen. 

Zurück in Deutschland wurde uns bewusst, dass der Umgang mit der Periode auch hier noch nicht komplett „normal“ ist: Wir verstecken unser Tampon in der Faust, wenn wir auf Toilette gehen und viele junge Mädchen können kaum über ihre Periode sprechen. Das alles hat uns so mitgenommen und aufgeregt, dass wir wussten: Wir wollen irgendwas gegen diese Ungerechtigkeit tun

Aus diesem Grund haben wir The Female Company im Februar 2018 gegründet. Wir bieten Bio-Tampons, Bio-Slipeinlagen und Bio-Binden, deren Bio-Baumwolle ohne Chemikalien und Pestizide angebaut wird. 

Wir haben parallel das Pads for Girls Programm in Indien, das durch Verkäufe bei uns unterstützt wird. Hier erhalten Frauen waschbare Stoffbinden. Unser Antrieb ist dabei, aufzuklären und die Periode zu enttabuisieren

Das machen wir zum Beispiel durch unsere „Schau mal, was da unten los ist“-Box für junge Mädchen. Und dadurch, dass unsere Bio-Tampons in bunte Designboxen unterschiedlicher Illustratorinnen verpackt sind. So steht die Tamponbox endlich präsent im Bad, statt versteckt im Schrank.

Tampon
The Female Company liefert Tampons bis vor die Haustür.(Photo: philkoehler)

wmn: Erklärt doch mal ganz kurz, mit welchem Businessmodell ihr angefangen habt? 

Ann-Sophie Claus: Wir haben mit einem Direct-to-Consumer Modell gestartet: Bio-Tampons direkt im Abo per Briefversand nach Hause/ in den Briefkasten.

wmn: Wart ihr die Ersten, die auf die Idee gekommen sind, Tampons im Abo zu verkaufen? (by the way, eine geniale Idee) 

Ann-Sophie Claus: Auf dem Markt ist ewig lange nichts passiert …und das, obwohl fast 50 % der Weltbevölkerung in ihrem Leben jeden Monat bis zu 5 Tage die Periode hat. Das muss man sich mal vorstellen…. 

Und wir waren tatsächlich das erste Abo-Modell für Bio-Tampons in Europa. Unser Service ist vor allem spannend, da wir direkt in den Briefkasten liefern. Das heißt, unsere Kundin braucht sich wirklich nie wieder Gedanken um ihre Periode zu machen.

Tampon Book
Aufklärungsarbeit & politisches Engagement werden in der Female Company groß geschrieben.(Photo: Cedric Soltani @ studiodropped)

wmn: Ihr habt schon einiges erreicht auf eurem Weg! Unter anderem habt ihr ein Buch mit dem Titel The Tampon Book auf den Markt gebracht. Inwieweit war das daran beteiligt, die Steuer auf Tampons zu senken? 

Ann-Sophie Claus: In Deutschland gab es zwei starke Aktivistinnen, die sich gegen die ungerechte Besteuerung von 19 % auf Periodenprodukte, aber 7 % auf Lachskaviar, Trüffel und Bücher in Form einer Petition eingesetzt haben. Mit ihnen waren wir seit Beginn in Austausch und haben sie unterstützt

Die Unterschriften stiegen zwar, aber die Reaktionen aus der Politik waren eher schläfrig. Deswegen haben wir etwas gesucht, durch das wir einerseits die Produkte zum reduzierten Steuersatz verkaufen konnten und gleichzeitig Politiker*innen etwas in die Hand geben zu können, durch das sie über die Besteuerung nachdenken müssen

Wir versteckten also 15 Bio-Tampons in einem Buch mit 48 Seiten voller Aufklärung und verschickten diese an die hundert wichtigsten Politiker*innen Deutschlands. 

Das Buch ? war schon in den ersten Tagen ausverkauft und es folgten persönliche Einladungen in den Bundestag sowie kürzlich sogar zu den Vereinten Nationen nach New York. Gemeinsam mit allen Aktivist*innen haben wir es geschafft, dass die Mehrwertsteuer auf Periodenprodukte im Januar 2020 gesenkt wurde.

Die Wirtschaft hat unserer Meinung nach enormes Potential, Veränderungen voranzutreiben. Nur leider setzt die Lobby das häufig für falsche Zwecke ein. Wir haben mit mehreren nachhaltigen Unternehmen mittlerweile einen Zusammenschluss gegründet, der dem Zweck dient, weitere Unternehmen von diesem Ansatz zu überzeugen.

Mamma Box
Ein weiteres Tabu: das Wochenbett. Auch hierfür haben die Frauen aus der Female Company sich etwas ausgedacht.(Photo: deliabaum)

wmn: Mittlerweile habt ihr mehr als bio-zertifizierte und chemikalienfreie Tampons zu bieten. Ihr habt zum Beispiel eine Mamma-Box entwickelt, die Frauen im Wochenbett begleiten soll. Warum war euch das wichtig? 

Ann-Sophie Claus: Die meisten Mütter wissen nicht, was im Wochenbett auf sie zukommt. Deshalb haben wir gemeinsam mit den Hebammen Anja Stern und Marie Beinhauer von hallohebamme ein Survival-Kit fürs Wochenbett in Bio-Qualität auf dem Markt gebracht mit wichtigen Produkten für den Wochenfluss, wie Wochenbetteinlagen, extra lange Binden aus Bio-Baumwolle und einer Intim-Dusche. Alles hypoallergen, ohne Plastik, atmungsaktiv und mit sanfter Bio-Baumwolle.

Ein gutes Gefühl ist wichtig, aber eben auch Aufklärung, weil über das Wochenbett kaum gesprochen wird. Aus diesem Grund war es uns wichtig, neben Produkten, die Mütter im Wochenbett wirklich brauchen, das Mamma Mag beizulegen mit ehrlichen Erfahrungsberichten von echten Frauen aus der The Female Company-Community sowie Momfluencern, ergänzt durch wertvolle Tipps von erfahrenen Hebammen von hallohebamme.

Cup einsetzen
The Female Company geht noch einen Schritt weiter & zeigt auf Pornhub in einem Video, wie der Cup eingesetzt wird.(Photo: Cedric @ StudioDropped. GmbH)

wmn: Und auch ein Menstruationscup fehlt auf eurer Seite nicht! Besonders gefällt mir eure mutige Kampagne One Girl One Cup, die beweist, wie wichtig euch Aufklärungsarbeit ist. Wie kam die Kampagne denn bei eurer Zielgruppe an? 

Ann-Sophie Claus: Wir erhalten nahezu täglich Anfragen zur Benutzung der Menstruationstasse. Einiges können wir beschreiben – aber wenn es um Themen wie die besten Positionen zum Einführen geht, stoßen selbst wir an unsere kommunikativen Grenzen. Das muss man einfach zeigen

Aber weil das auf Instagram, wo wir normalerweise mit unserer Community kommunizieren, nicht möglich ist, mussten wir uns einen neuen Kanal suchen. Das war zunächst Pornhub. Damit wollten wir zeigen, dass explizite Aufklärung über die Periode wie Pornografie behandelt wird. Ein Zustand, der sich schleunigst ändern muss.

Mittlerweile sind die Tutorials zum Einführen und Entfernen unseres Menstruationscups auf ethischen Pornoseiten wie Sex School Hub, Cheex oder bei Erika Lust zu sehen.

Tatsächlich kam der wahre Konflikt von Pornhub selbst. Minuten nach Launch sperrte die Seite unsere Tutorials aufgrund von “Meldungen der Community” und die Kampagne wäre beinahe gefloppt. Glücklicherweise hat am Ende noch alles geklappt. Wir glauben, dass Provokation ein gutes Mittel ist, um Tabuthemen wie Periode, Schwangerschaft und Co. den Kampf anzusagen und eine starke Marke zu bauen.

Die Idee zur Kampagne One Girl One Cup stammte von den beiden Kreativen Martina Pellerey, die die Kampagne gemeinsam mit Scholz & Friends Berlin ausgearbeitet hat, und Pavlina Vlachopoulou.

Weitere Artikel zum Thema: Hier unsere schriftliche Anleitung zum Einsetzen des Menstruationscups, diese Tampon Alternativen solltest du kennen und so läuft das Free Bleeding sicher ab.

Team Female Company
Weil Frauen am besten wissen, was Frauen brauchen.(Photo: philipp koehler)

wmn: Denkt ihr, dass ihr euch gegen die Riesen wie o.b. langfristig behaupten könnt? Was macht euch besser? 

Ann-Sophie Claus: Wir kennen bei The Female Company unsere Kundinnen in- und auswendig. Weil wir ständig mit ihnen im Austausch sind und sie in viele unserer Prozesse fest integriert haben. Mal abgesehen davon, dass wir selbst Gründerinnen sind 😉

Entsprechend verstehen wir, was sie sich wünschen und integrieren ihr Feedback regelmäßig in alles, was wir tun. Während viele Großkonzerne vier Jahre brauchen, um sich auf ein neues Produkt festzulegen und entsprechend gesellschaftliche Trends verschlafen, können wir schnelle Tests und bis zu 2000 umfangreiche Nutzerinnen-Feedbacks innerhalb von wenigen Wochen generieren. Wenn diese für einen spannenden Markt sprechen, launchen wir die passende Lösung innerhalb von wenigen Monaten. Dank unserem Online-Model wissen wir genau, wer unsere Kundin ist und was sie sich wünscht.

wmn: Was sind eure Pläne für die Zukunft? 

Ann-Sophie Claus: Die Enttabuisierung der Periode haben wir in den letzten Jahren aufs nächste Level getrieben. Es gibt jedoch noch viele weitere Themen rund um den weiblichen Körper, die mit einem riesigen Tabu verbunden sind. Getreu dem Motto: Nicht “The Period Company” sondern “The Female Company” werden wir also weitere Tabuthemen angreifen. Und wie gewohnt: Von TV-Auftritten über großartige Kampagnen – in den nächsten Monaten wird bei uns viel passieren.

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